Die frühere Miss Supermodel gab Anstoß zu einer überfälligen Rechtsreform des Vergewaltigungsparagrafen.

Es gibt Geschichten, bei denen man sich fragt, was Gerechtigkeit ist und ob das Strafrecht ihr jemals genügt – genauer: das Sexualstrafrecht. Gina-Lisa Lohfink war in Heidi Klums „Germanys Next Top Model“ die Stress-Tussi und die hessische Kodderschnauze. Dann fiel sie unter die Räuber, wurde von zwei Männern beim Sex gefilmt und nach eigenen Angaben vergewaltigt. Mit ihrer verspäteten und vergeblichen Klage wurde sie zur Märtyrerin. Ihr Fall bewegt die Gemüter und gab sogar den Anstoß zu einer längst überfälligen Rechtsreform. Die Verschärfung des Vergewaltigungsparagrafen 177 Strafgesetzbuch, im Bundestag von allen Fraktionen begrüßt, setzt neue Maßstäbe: Entscheidend ist nicht mehr, ob bestimmte Bedingungen für eine Vergewaltigung erfüllt waren, ob der Täter Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwungen hat. Entscheidend ist allein, ob er sich über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinweggesetzt hat.

Das ist ein großer Fortschritt. Denn bisher kreisten viele Verfahren nur um die Frage, ob sich das Opfer ausreichend gewehrt habe, und endeten oft in kaum nachvollziehbaren Freisprüchen. Auch der Fall „Gina-Lisa Lohfink“ ist nicht so ausgefallen, dass er vor deutschen Gerichten eine Sonderstellung einnähme. Ihre Peiniger wurden nur dafür verurteilt, dass sie das Sexvideo ohne Gina-Lisas Wissen im Internet veröffentlichten, vom Vorwurf der Vergewaltigung aber freigesprochen. Jetzt steht Gina-Lisa selbst vor einem Berliner Gericht wegen falscher Verdächtigung. Hätte ihr das reformierte Strafrecht geholfen?

Die 29-Jährige, ehemals Miss Supermodel auf Hawaii, setzt als „It-Girl“ ganz auf ihren Körper, geistert durch Formate des Reality-TV und kann als „VIP“ für Events gebucht werden. Sie ist keine Juristin, sondern gelernte Arzthelferin. Und ein klassisches Opfer, dessen Verhalten öffentlich zerpflückt wird. Warum hat sie die mutmaßliche Vergewaltigung erst nach zwei Wochen angezeigt, als die Sexvideos längst im Internet liefen? Warum ist sie nach dem Übergriff nicht sofort zum Arzt gegangen, um feststellen zu lassen, ob ihr K.-o.-Tropfen verabreicht wurden? Schon vor Jahren landete ein Sexvideo mit einem Freund ohne ihr Wissen im Netz, schon einmal wurde sie mit K.-o.-Tropfen lahmgelegt. Nichts draus gelernt? War sie schlecht beraten oder ist sie naiv?

Auf der anderen Seite: Wenn zwei Männer verabreden, Sexszenen mit einer semiprominenten Frau zu filmen, um damit Geld zu machen – ist das kein Einstieg in die Zuhälterei? Der E-MailVerkehr der beiden mit entsprechenden Plänen lag dem Gericht im Vergewaltigungsprozess vor. Auf dem Video „sieht man Lohfink abwechselnd betrunken, schlafend, wach, tanzend, trinkend, sprechend, bewegungslos auf dem Rücken liegend, lallend, wimmernd“ (der „Stern“). Aber mehrmals sagt sie deutlich: „Hör auf!“ Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Richterin habe sich dies möglicherweise nur auf den Oralverkehr bezogen und nicht auf den Sex insgesamt.

An diesem Punkt hätte nach dem reformierten § 177 anders entschieden werden können. Das Video zeigte Gina-Lisa ja nicht beim Gärtnern, und die Willenlosigkeit des Opfers hätte nicht besser dokumentiert werden könne­n. Aber die Richterin hat offenbar nicht den Gesamtzusammenhang eines geplanten sexuellen Übergriffs er­kennen können oder wollen.

Viele Prozessbeobachter hatten nach den Freisprüchen den Eindruck, dass hier die Unschuldsvermutung zugunsten der Männer knirschend überdehnt worden ist.

Das alte Strafrecht ließ Raum, selbst sichtbare Ohnmacht einfach als Zustimmung zu werten. Das geht nach der Reform nicht mehr so leicht. Dennoch zeigt gerade der Fall „Gina-Lisa“: Eine betroffene Frau kann immer noch viele Fehler machen. Wenn niemand ihr Nein hört, steht Aussage gegen Aussage. Wenn Zeugen, ärztliche Befunde und andere Indizien fehlen, wird der Nachweis einer Vergewaltigung weiterhin schwer. Der Selbstschutz muss lange vorher beginnen. Das ist leicht gesagt in alkoholschwangeren Nächten, in denen eine Frau nicht mehr viel mitkriegt. Aber wenn sie mit dem Mann allein ist, ist es zu spät.