Ein E-Mail-Wechsel von Abendblatt und „Cicero“

Christoph Schwennicke, Chefredakteur des in Berlin produzierten Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend hier veröffentlichen.

Haider: Lieber Christoph, gibt es doch noch den Exit vom Brexit? Besinnen sich die Briten, nachdem viele vorhergesagte negative Folgen eingetreten sind? Und: Wollen wir das überhaupt?

Schwennicke: Ich war nach dem Referendum zufälligerweise in Birmingham (der gute alte Ritchie Blackmore bat zum Deep-Purple-Rainbow-Retro-Konzert). Wow, das war eine Nation im Schock über sich selbst. Beim Frühstück am nächsten Morgen haben sich die Leute ungefragt bei uns entschuldigt und bedankt, dass wir da sind. Aber: nein. Einen Weg zurück sehe ich nicht. Vielmehr einen heilsamen Schock allerorten. Auch bei potenziellen Nachahmern.

Haider: Ja, für die Briten wird es bitter. Die wirtschaftlichen Folgen sind nur zu erahnen, das Ende des Vereinigten Königreichs ist programmiert: Ich glaube fest, dass Schottland sich abspalten wird, um EU-Mitglied bleiben zu können. Und Nordirland?

Schwennicke: Könnte sich auch der EU zuwenden und zugleich die Vereinigung mit der Republik Irland vollziehen. Und alles nur, weil Cameron und Johnson in verantwortungsloser Manier ihr Land verzockt haben in ihrem kindischen Konkurrenzkampf.

Haider: Das ist der eine Grund. Und der andere, der mich sehr erschreckt hat: Brexit-Befürworter haben vor allem Angst davor, dass ihnen England von Ausländern weggenommen wird.

Schwennicke: Wenn Du davon überrascht wurdest, solltest Du dringend eine englische Zeitung in deinen Morgenkanon aufnehmen. Das zeichnete sich ab. Zum Unwillen über polnische Handwerker (die dem Land so guttun, weil endlich die Fenster schließen und die Armaturen im Bad funktionieren) kam Angst vor der Migrationswelle. Hier kommt dann leider auch unsere Kanzlerin ins Spiel, auch wenn sie sagt, sie ziehe sich diesen Schuh nicht an.

Haider: Wie meinst Du das?

Schwennicke: Die unkonditionierte Aufnahme von Flüchtlingen und Köln haben eine Riesenrolle gespielt im Wahlkampf um den Brexit