Berlin.

Der Erfolg von Fahrrädern mit unterstützendem Elektromotor, sogenannte Pedelecs, ist spektakulär. Offiziell haben die Hersteller 2015 knapp 535.000 Stück zum Durchschnittspreis von 2351 Euro verkauft, inoffiziell sprechen Branchenkenner von bis zu 700.000, wenn man Leasing- oder Unternehmensräder mitrechnet. Aber: Bei Untersuchungen von Stiftung Warentest sowie von Experten des Vereins „ExtraEnergy.org“ sind in der Vergangenheit immer wieder Qualitätsmängel festgestellt worden. Und auch der aktuelle Test liefert ein durchwachsenes Ergebnis: Sieben von 15 Rädern bekamen die Gesamtnote „gut“, fünf aber waren „mangelhaft“.

Was wurde getestet?

Die Warentester untersuchten in Kooperation mit dem ADAC 15 Elektrofahrräder, 28 Zoll, mit tiefem Durchstieg, Mittelmotor, Nabenschaltung und vorzugsweise einem 400 Wattstunden-Akku. „Modelle wie diese sind am Markt besonders erfolgreich“, sagt David Koßmann vom Pressedienst Fahrrad. Beurteilt wurde das Fahrverhalten, der Antrieb, die Handhabung, Sicherheit und Haltbarkeit. Die Rubriken gingen mit einer Gewichtung von 40 beziehungsweise 20 Prozent in die Gesamtnote ein.

Was führte zur Note „mangelhaft“?

Zwei günstige Räder und drei teure fielen durch: das Hansa Alu-City-Elektrorad von Aldi Nord (900 Euro), das Alu-Elektro-Citybike ECU 1603 von Fischer (1200 Euro), das Premio E8F von Pegasus (2400 Euro), das Stevens E-Courier Forma (2700 Euro) und das Traveller E Tour FL von Kettler (2550 Euro). „Eine nicht ausreichende Bremskraft sowie Brüche an Sattelstütze und -klemmung sind Ursachen der schlechten Noten“, so Stiftung Warentest.

Für Hannes Neupert vom Verein ExtraEnergy, der die Elektromobilität auf zwei Rädern seit mehr als drei Jahrzehnten begleitet und mit seinem Klub ebenfalls Modelle testet, ist das ein Ärgernis: „Der Boom im Markt ist riesig, große Teile der Industrie sind auf Monate ausverkauft“, sagt Neupert. Für den Verbraucher sei das schlecht. Die Hersteller investierten weniger in Innovationen, weil sie weniger um Kunden kämpfen müssten. „Deutschland ist bei dem Thema noch ein Entwicklungsland. Wir brauchen mehr Wettbewerb“, fordert Neupert.

Was zeichnet die guten Räder aus?

„Die Ansprüche an Elektrofahrräder sind hoch, sie kosten mitunter so viel wie Motorroller, da sollten sie sicher und solide sein – wie die sieben guten im Test“, schreibt die Stiftung. Testsieger ist das teuerste Modell: das B8.1 des Schweizer Herstellers Flyer (3300 Euro). Das Urteil: „sehr gut bei Fahrverhalten und Stabilität ohne Gepäck, gut abgestimmte Komponenten und als einziges Modell sehr einfach einstellbar“. Das Rad mit der besten Preis-Leistungs-Bilanz kostet deutlich weniger: River­side City Nexus von Decathlon für 1800 Euro.

Welche Probleme haben die Tester jenseits von mangelhaften Bremsen und Bruchanfälligkeit formuliert?

Problem eins: Das zulässige Gesamtgewicht ist teilweise sehr niedrig. Mitunter erlauben die Räder nur 120 oder 130 Kilogramm. Für schwere Menschen könnte das bedeuten: Sie können nur wenig Gepäck mit auf Touren nehmen. Laut Stiftung Warentest sollte das zulässige Gesamtgewicht 150 Kilogramm betragen. „Das bietet Spielraum, damit nicht nur leichte Personen Spaß am Pedalieren haben“, sagt Testleiter Nico Langenbeck.

Problem zwei: das Fahrverhalten. Bergab neigten Modelle mit tiefem Durchstieg zur Instabilität, wirkten schwammig oder gerieten ins Schwingen. „Selbst bei geringen Geschwindigkeiten sind Unterschiede in der Stabilität bemerkbar“, urteilt Langenbeck.

Hannes Neupert erklärt das so: „Der Rahmen mit Durchstieg bietet keine geometrisch stabile Form.“ Er sei anfällig. „Bisher gibt es noch keine wissenschaftlich anerkannte Methode, wie man das Aufschwingen vor der Kons­truktion berechnen kann“, sagt er. An der Anwendung einer entsprechenden Software werde noch gearbeitet.

Darüber hinaus könnten die Probleme durch ein ungünstiges Verhältnis von Fahrer zu Rad entstehen. Gewicht und Schwerpunkt der Nutzer wirkten sich mitunter ungünstig aus. „Einige Hersteller haben es aber geschafft, das Problem, das sogar schon zu tödlichen Stürzen führte, in den Griff zu bekommen“, weiß Neupert. Vorteilhaft sei es, Batterien und damit Gewicht tief zu lagern, also nicht auf dem Gepäckträger, und für eine besondere Steifigkeit des Rahmens rund ums Tretlager zu sorgen.

Wie ist es um die Reichweite der Akkus bestellt?

Die Akku-Reichweite ist für Verbraucher besonders wichtig, abweichende Angaben besonders ärgerlich. Die Modelle im Test wurden auf hügeligem Gelände mit einer mittleren bis hohen Motorunterstützung getestet. Die Reichweite schwankte zwischen 40 und 100 Kilometer, so die Stiftung.

Was wird die Zukunft bringen?

„Das E-Fahrrad wird das herkömmliche nicht verdrängen, der Siegeszug aber ist nicht aufzuhalten“, glaubt David Koßmann. Der derzeitige Marktanteil beim Neukauf von zwölf Prozent könnte auf bis zu 30 ansteigen. „Viele Menschen, die erstmals auf so einem Rad sitzen, sind erstaunt darüber, wie gut es in ihren Alltag passt. Der Motor schiebt mit, und es ist in sehr unterschiedlichen Modi einsetzbar“, sagt Koßmann. Verbraucher könnten wählen, ob sie locker zur Arbeit fahren, ohne ins Schwitzen zu kommen, oder die Fahrzeit zum Büro dank Motor halbieren. Koßmann. „Ich kenne eigentlich niemanden, der nach einer Probefahrt nicht mit einem Lächeln vom Pedelec steigt.“

Auch Hannes Neupert glaubt, dass die Hersteller alleine in Deutschland bis zu fünf Millionen Stück pro Jahr verkaufen könnten. „Mobilität gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen wie auch die Kommunikation“, sagt er. Wer das Potenzial des Fahrrades mit elektrischem Motor abschätzen wolle, könne einen Blick nach China werfen. „Dort sind im vergangenen Jahr 34 Millionen neue Pedelecs verkauft worden, die Gesamtzahl der verkauften Räder ist auf etwa 200 Millionen gestiegen.“

ExtraEnergy geht davon aus, dass die EU künftig mit entsprechenden Vorschriften dafür sorgen wird, dass Bauteile wie Motoren oder Akkus für verschiedene Modelle kompatibler werden. Das werde den Markt in Gang bringen. Spätestens im Sommer 2018 werde diese Entwicklung beginnen. Dann müssten Akku-Hersteller ihre Geräte auch für fremde Ladegeräte freigegeben haben. Neupert: „Das Reichweitenproblem wird dann kleiner. Die Industrie wird Geräte zu bezahlbaren Preisen anbieten, die in 15 bis 20 Minuten 80 Prozent des Akkus laden: Technisch ist das kein Problem.“ Am Ende würde es dann genügen, die Pausen längerer Touren in der Nähe einer Steckdose zu planen.