Die Sopranistin Simone Kermes besingt das Gefühl, das uns alle umtreibt

    Renaissance, Frühbarock, Hoch­barock – alles lange her, staubig, gepudert, steif? Wer das behauptet, der war wohl noch nie in einem Konzert der ­Sopranistin Simone Kermes. Wenige Sängerinnen verstehen es wie sie, die Musik in die Gegenwart zu holen. Mit ­allem, was dazugehört. Und das ist einiges. Die unbändige Lust des Barocken am Verrückten, Übertriebenen etwa zeigt sich in Kermes’ bunten, originellen und durchaus ironischen Kostümen. So kommt sie schon mal im Reifrock auf die Bühne, in den ein leibhaftiger Bilderrahmen eingearbeitet ist, zur Freude des Publikums.

    Klamauk? Mitnichten. Denn jede Grenzüberschreitung hat in Kermes’ Universum ihren tieferen Sinn. Wenn sie mit den Füßen den Takt stampft, dann hält sie damit nicht nur die Begleitcombo zusammen, die das, nebenbei bemerkt, gar nicht nötig hat. Sondern sie fängt ihr häufig jugendliches und der Klassik möglicherweise eher fernes Publikum mühelos ein, indem sie vorführt: Schaut und hört, Beats und ­Groove hat es schon immer gegeben.

    Genauso, wie es auch immer schon das gegeben hat, was wir so hilflos mit dem Allerweltswort Liebe umschreiben, obwohl wir doch etwas anderes meinen. Das Verliebtsein nämlich in all seinen Ausprägungen, von Schmetterlingen im Bauch bis zur tiefsten Verzweiflung. Und siehe da, auch die Herren Komponisten mit ihren Perücken und Geh­röcken, die auf den wenigen überlieferten Porträts so würdevoll dreinschauen, auch sie litten an der Liebe in derselben Intensität wie unsereins. Und fassten dieses Leid in die allerschönsten Melodien.

    Simone Kermes widmet dem schönsten, anstrengendsten, zerstörerischsten aller Gefühle ihr Programm „Love“. Für die beiden Abende in Wotersen und Meldorf Ende August mit der Tänzerin Indra Stark und dem Ensem­ble La Magnifica Comunitá unter der Leitung des Geigers Enrico Casazza (Choreografie: Michele Ciacci) hat sie Liebesszenen aus Werken von Monteverdi, Purcell, Dowland und weiteren Kollegen aus Spanien und Frankreich zusammengestellt. Mehr verrät das Programm derzeit noch nicht, aber dass Dowlands berühmtes, ebenso schlichtes wie anrührendes Lied „Flow My Tears“ dabei sein wird, das darf als sicher gelten. Ebenso gewiss darf man aber annehmen, dass Kermes es nicht bei Evergreens belässt, sondern selbst Hand ­anlegt bei der Suche nach ungehobenen Schätzen des Repertoires.

    Diese Frau ist eben Überzeugungstäterin. Das spürt man, wenn man ihre enorme emotionale Bandbreite auf der Bühne erlebt. Es ist die Entäußerung, die sie für ihr Publikum glaubwürdig macht. Allein dafür hätte Simone Kermes jeden Preis für Musikvermittlung verdient.

    „Love“ 25.8., 20.00, Wotersen; 26.8., 20.00, Meldorf, Dom. Karten zu 16,- bis 54,- unter T.0431/23 70 70