Hamburg . Nach Silvester-Übergriffen wollen so viele Menschen wie noch nie eine Gas- oder Schreckschusspistole kaufen

    Die Zahl der Hamburger, die einen sogenannten Kleinen Waffenschein beantragt haben, ist in diesem Jahr „explodiert“. Dieser Antrag gemäß Paragraf 10 (4) Satz 4 des Waffengesetzes muss bei der Polizei gestellt werden. Wenn er genehmigt wird, ist dessen Besitzer berechtigt, eine Gas- und Schreckschusswaffe in der Öffentlichkeit zu tragen. 2016 sind bereits 1521 Anträge in Hamburg gestellt worden.

    Im Vergleich: Dies sind gut fünfmal so viele Anträge wie in den Jahren zuvor, als jeweils 250 bis 300 Anträge für den Kleinen Waffenschein eingingen. Der überwiegende Teil der Antragsteller sind Männer, nur etwa zehn Prozent Frauen. Bis Ende 2014 besaßen in der Hansestadt rund 4000 Menschen den Kleinen Waffenschein.

    Für Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist es eine besorgniserregende Entwicklung. Sie steht seiner Einschätzung nach in direktem Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen zu Silvester. Einen zeitlichen Zusammenhang belegen auch die Zahlen der Polizei – allein im Januar wurden 731 Scheine beantragt, das ist fast die Hälfte der bisherigen Anträge dieses Jahres. Im Februar gab es einen Rückgang auf 511, im März auf 139 und im April sowie im Mai auf jeweils 87 und 53. Abgelehnt wurde kein Antrag.

    Die hohe Zahl beunruhigt Lenders: „Mir macht es Sorge, dass ganz offensichtlich durch die Silvesterübergriffe mehr Menschen dem Staat nicht mehr zutrauen, für ihre Sicherheit sowie jederzeit und überall für Recht und Ordnung zu sorgen.“ Lenders sieht noch ein weiteres Problem. „Wenn mehr solcher Waffen auf der Straße sind, können sie in Konfliktsituationen auch gegen Polizisten eingesetzt werden.“

    Bereits im Januar hatte Polizeipräsident Ralf Meyer exklusiv im Abendblatt-Interview von einer besorgniserregenden Entwicklung gesprochen. Das Sicherheitsgefühl der Hamburger habe offensichtlich stark gelitten, sagte Meyer damals, wenige Wochen nach den massiven Übergriffen in der Silvesternacht. „Der Verkauf von Pfefferspray geht exorbitant nach oben, und die Zahl der Anträge auf den Kleinen Waffenschein ist stark gestiegen. Beides zeigt, dass Angst da ist. Wir wollen vermitteln, dass man mit solchen Mitteln unter Umständen zur Verschärfung einer Situation beiträgt.“ Auf ein möglicherweise gesunkenes Vertrauen in die Arbeit der Polizei angesprochen, sagte Meyer: „Ich gehe davon aus, dass sich dieses Gefühl in der Bevölkerung wieder verändern wird.“ Keine großen Veränderungen gab es dagegen bei Waffenscheinen für „richtige“ Schusswaffen. 13.141 „grüne“ Waffenbesitzkarten haben Hamburger, weil sie Jäger oder Sportschützen sind. Dazu kommen 2054 „gelbe“ Karten für historische Waffen. 57 „rote“ Karten besitzen die Hamburger, die Waffensachverständige oder Sammler sind.

    Von dem „richtigen“ Waffenschein, der zum Führen einer Schusswaffe in der Öffentlichkeit berechtigt, waren vor einem Jahr 174 in Umlauf, 20 mehr als 2014. Diese Berechtigung bekommen nur extrem gefährdete Personen und Sicherheitsunternehmen. Wie viele Gas- und Schreckschusswaffen in Hamburg im Umlauf sind, wird nicht erfasst, da für Kauf und Besitz zu Hause keine Erlaubnis nötig ist.

    Seite 12 Fragen & Antworten zum Waffenbesitz