Wedel. Mädchen und Jungen des Segel-Vereins Wedel-Schulau müssen sich der Natur anpassen und unterordnen. Sie erfahren, wie wichtig Geduld, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft sind

    „Segeln“, sagt Michael Schröttke und beschleunigt das Schlauchboot, in dem wir sitzen, „Segeln ist etwas ganz anderes als Handball, Fußball oder Turnen. Bei all diesen Sportarten ist man sozusagen sein eigener Mittelpunkt. Man bestimmt den Einsatz, das Tempo, die Intensität letztlich selbst. Auf dem Wasser aber müssen die Kinder zuerst und vor allem lernen, sich anzupassen und sich unterzuordnen. Dem Wind, der Strömung, dem Wellengang. Die Natur ist immer stärker als wir Menschen. Das ist für unsere Kinder ein schwieriger Lernprozess. Bei manchem kleinen Draufgänger dauert es lange, ehe er sich unterordnet.“

    Wir dümpeln mit dem Schlauchboot mitten im neuen Hafenbecken von Wedel. Michael Schröttke, Typ gutmütiger Seebär, hat den wirren Haufen der Jollen fest im Blick, die um ihn herumschippern. Seit drei Jahren trainiert der 57-Jährige, der selbst von Wedel aus drei Jahre mit seiner Segelyacht auf den Weltmeeren unterwegs war, den Nachwuchs des SVWS. Unter diesem Kürzel ist der Segel-Verein Wedel-Schulau seit Generationen bekannt.

    „Wo bleibt denn der Wind“, schimpft Silas, ein neunjähriger Pfiffikus. Das Segel seines Optimisten mit dem Namen „Verliernix“ hängt lustlos am Mast. „Schau aufs Wasser, auf die leichten Wellen hinter dir, dann weißt du, woher er kommt“, ruft ihm Michael Schröttke zu. Thies hat seine „Spürnix“ längst in den Wind gelegt und saust lachend an seinem Freund vorbei. Schnell wechseln die sieben Optimisten ihre Positionen im Hafenbecken.

    Optimisten, das sind die kleinen Einmann-Jollen, mit denen Kinder in den Vereinen das Segeln erlernen. Dazu passen auch die in dicken schwarzen Buchstaben am Rumpf festgeschriebenen Namen wie „Denkdirnix“, „Verliernix“ oder „Spürnix“.

    Der Segel-Verein Wedel-Schulau hat 23 solcher Optimisten in seiner großen Halle direkt hinterm Deich in Wedel. „Dazu noch neun Teenys, also Zwei-Mann-Jollen, und noch einmal zehn Piraten“, sagt Sven Pahnke, der Jugendwart des 1936 gegründeten Vereins, „denn Jugendarbeit wird bei uns schon immer groß geschrieben.“

    Die Gruppe hat gerade ein Wochenende in der Jugendherberge und beim Segeln an der Schlei verbracht. Als die Kinder die Jollen aus der Halle schieben und am Hafenbecken Baum und Segel befestigen, hört man Insa schimpfen. „Die haben mein Boot nicht einmal sauber gemacht. Das finde ich nicht gut.“ Michael Schröttke schaut kurz auf und lächelt: „Recht hat sie, denn genau das gehört auch zu unserem Sport. Man nimmt Rücksicht aufeinander, und man hilft sich. Allein können die Mädchen und Jungen ein Boot nicht ins Wasser lassen. Man braucht Unterstützung. Das bringen wir den Anfängern zuerst bei, und das prägt den Umgang unter uns Seglern für alle Zeit.“

    Dazu gehört auch, dass Ältere wie der 17-jährige Paul Hitzemann schon beim Training auf dem Wasser helfen und den Senior unterstützen. „Insa, du bist viel zu nahe an der Kaimauer, da ist doch kein Wind mehr“, ruft Michael Schröttke. „Das habe ich auch schon gemerkt“, antwortet Insa. Ob das Mädchen allein aus der Flaute heraus kommen kann? „Insa schafft das“, ist der erfahrene Lehrmeister sicher, „die reagiert immer ruhig, aber sehr überlegt. Sie hat eine sehr gute Beobachtungsgabe, und das ist entscheidend beim Segeln. Ungeduldige Draufgänger erleben immer wieder, dass die Geduldigen, die Wind und Strömung genau beobachten, an ihnen vorbeiziehen. Bei unserem Sport gibt es keinen eingedrillten Mechanismus. Alles verändert sich ständig. Jedes Mal ist die Situation anders. Für uns Segler ist das Zusammenspiel mit der Natur entscheidend.“

    Aber auch das kann, vor allem im geschützten Hafenbecken bei spärlichem Wind, kleinen Jungen etwas langweilig werden. Silas hat deshalb seine „Verliernix“, natürlich mit Zustimmung des Trainers, kentern lassen. Jetzt hängt er am Schwert, das aus dem Wasser ragt, und muss mächtig kämpfen, um seine Jolle wieder aufzurichten. „Das Kentern und wie sie sich dabei verhalten müssen, lernen unsere Kinder noch vor dem ersten Segelunterricht“, sagt Michael Schröttke. „Meist üben wir das im Schwimmbad in Uetersen. Schwimmen müssen ohnehin alle können, sonst dürften sie keine Segler werden.“

    Vier aus dem Anfängerkreis der begeisterten Schüler segeln schon regelmäßig Regatten. „Und in vier, fünf Jahren werden einige von ihnen selbst in der Jugendarbeit mitmachen“, sagt Sven Pahnke, der als Jugendwart die rund 25 Helfer und Trainer für die etwa 120 Mitglieder starke Nachwuchsabteilung koordiniert und managt. „Das alles machen wir ehrenamtlich.“