Simbach am Inn.

Häuser liegen in Trümmern, Autos stecken mit dem Dach voran im Schlamm, Straßenlaternen sind wie Strohhalme umgeknickt. Nach der Hochwasserkatastrophe von Mittwoch herrscht Ausnahmezustand in Niederbayern. Die Zahl der Toten ist auf fünf gestiegen. Am Donnerstag ist in Simbach am Inn die Leiche eines 75 Jahre alten Mannes geborgen worden. Vier Tote wurden bereits am Vortag entdeckt.

Unter den Toten, die am Mittwoch geborgen wurden, sind drei Frauen einer Familie im Alter von 28, 56 und 78 Jahren. Es handele sich um Tochter, Mutter und Großmutter, bestätigte Michael Emmer, Sprecher der Polizei in Niederbayern, dieser Zeitung. Die Familie wurde im Erdgeschoss ihres Hauses von der Flutwelle ertränkt, konnte sich nicht mehr in Sicherheit bringen. Nachbarn aus den oberen Stockwerken hätten die Familie gewarnt. Die Polizei sei von Bewohnern verständigt worden, die sich aufs Hausdach gerettet hatten, sagt Emmer. Die 78-Jährige sei auf einen Rollator angewiesen gewesen, die 28-Jährige habe noch ihren Laptop retten wollen, sagten Zeugen zur „Passauer Neuen Presse“. Die Kriminalpolizei übernahm die Ermittlungen und prüft auch, ob unterlassene Hilfeleistung vorliegt.

Die vierte Tote ist eine 80-jährige Frau. Ihre Leiche wurde im Simbacher Nachbarort Julbach in einem Bach entdeckt. Ihr Haus wurde von den Wassermassen erfasst, die Frau mitgerissen. Ihr Körper wurde zwei Kilometer weit mitgeschleift. Die Flutwelle hatte das Haus förmlich halbiert, berichten Zeugen. Es ist jetzt nur noch Schutt, aus dem Kabel und Hausrat herausragen.

„Etwa 20 bis 30 Leute werden Stand Donnerstagnachmittag in der Region vermisst“, sagt Emmer. Sie seien von Angehörigen nicht erreicht worden, was aber wahrscheinlich am zusammengebrochenen Mobilnetz und an leeren Akkus läge. In vier Fällen aber fürchtet der Polizeisprecher „das Schlimmste“. Es gebe konkrete Hinweise, dass diese Personen von den Fluten in ihren Häusern eingeschlossen worden sind.

Dabei handelt es sich um einen 65 Jahre alten Mann und einen 75 Jahre alten Mann sowie um ein Ehepaar, alle aus Simbach. Taucher hatten in den überfluteten Räumen ihrer Häuser nach ihnen gesucht, mussten aber ihren Einsatz wegen der starken Strömung des Wassers zwischendurch abbrechen. Emmer: „Es bestand Lebensgefahr für die Taucher.“ Die Katastrophe hat inzwischen auch Kriminelle auf den Plan gerufen. Zwei 22 und 23 Jahre alte Männer aus Salzburg hatten versucht, in der Nacht ein Radio aus einem beschädigten Auto zu stehlen. Als „unnötig und ärgerlich“ bezeichnete Emmer die Aktion. Später wurden drei Jugendliche zwischen 14 und 16 dabei erwischt, wie sie einen Kiosk ausräumen wollten.

Verkehrsrowdys missachten Straßensperren

„Ein massives Problem sind derzeit bis zu 50 Schaulustige, die trotz Aufforderung der Feuerwehr den Einsatzort nicht verlassen wollen.“ Es müssten nun Sperren errichtet werden. „All das zieht Ressourcen ab für die Suche nach Vermissten“, sagt Emmer.

Autofahrern wurde davon abgeraten, ins Hochwassergebiet zu fahren. Auch kam es bereits zu mehreren Unfällen, weil Autofahrer die Sperrhinweise ignorierten und dann verunglückten. Dabei gab es eine ausdrückliche Warnung, ins Hochwassergebiet zu fahren. „Viele Straßen sind weggeschwemmt und Brücken zerstört. Das ist hochgefährlich“, sagte Michael Fahmüller, Landrat des Landkreises Rottal-Inn. Nach stundenlangem Dauerregen hatte der Landrat Katastrophenalarm ausgelöst. Dieser gelte noch einige Tage, so Fahmüller. Die überschwemmte Fläche sei doppelt so groß wie der Chiemsee. Insgesamt seien 2000 Hilfskräfte im Einsatz. Bis in die nächste Woche hinein sind in weiten Teilen Deutschlands weitere Gewitter mit Starkregen zu erwarten.