Die evangelische Kirche auf St. Pauli hat viel für Flüchtlinge getan, ihnen Obdach und Rechtsbeistand gegeben. Aber jetzt hat sie eine Grenze überschritten im Glauben, dass Liebe die größten Sünden verzeiht.

    Selbst diese Haltung wäre noch zu verstehen. Doch eines toten IS-Kämpfers ausgerechnet in einer Kirche und im Rahmen einer christlich-muslimischen Zeremonie zu gedenken, ist eine Fehlentscheidung. Erinnern wir uns: Der aus einer christlichen Familie stammende Florent konvertierte zum Islam, schloss sich unter dem Namen Bilal den Hamburger Salafisten an, zog für den „Islamischen Staat“ in Syrien in den Krieg. Enttäuscht vom Dschihad, wandte sich der 17-Jährige in einer Botschaft an seine Glaubensleute, sich diesem mörderischen Regime nicht anzuschließen. Kurz darauf kam er in Syrien ums Leben. Der Verfassungsschutz wertet die Audiodatei noch immer aus.

    Fast ein Jahr nach dem ungeklärten Tod fand am gestrigen Freitag eine christlich-muslimische Trauerfeier in der St. Pauli-Kirche mit einem Pastor und einem Imam statt. Abgesehen von der Frage, warum so etwas erst jetzt veranstaltet wurde, gibt es mehrere Einwände gegen dieses bilaterale Totengedenken. Wenn es den beiden Religionsgemeinschaften lediglich um die seelsorgerliche Begleitung der trauernden Familie und Freunde gegangen wäre, böten sich wohl stillere, nicht schlagzeilenträchtige Formen der Trauerkultur an. Sie wären in jedem Fall Florents individueller Biografie angemessen gewesen, die in seinem kurzen Leben viele Brüche aufweist.

    Zum anderen muss kritisch gefragt werden, ob eine christliche Kirche tatsächlich der geeignete Ort ist für ein gemeinsames Totengedenken mit den Muslimen. Die Unterschiede zwischen Islam und Christentum sind und bleiben zu gravierend, um gemeinsam eine gottesdienstlich geprägte Zeremonie in einem Kirchenraum zu feiern.

    Und schließlich: Wie sollen jene Menschen, die vor dem IS geflohen sind, über diese öffentliche Trauerfeier für einen vermeintlich reuigen IS-Terroristen denken? Die Dschihadisten kreuzigen die Christen, wenn sie nicht konvertieren und hohe Steuern zahlen und brandschatzen erbarmungslos ihre Kirchen. All diese Bedenken spielten auf St. Pauli offenbar keine Rolle. Mit einem Übermaß an Toleranz hat die Kirche mal wieder ein Zeichen der gnadenlosen Versöhnung gesetzt. Damit agiert sie erneut politisch ausgerechnet in einem Fall, der noch mehr Sensibilität herausgefordert hätte.