Paris.

Nicole konnte ihren Gatten Jerome einfach nicht mehr ertragen und auch Jerome hatte vom Ehestand die Nase gestrichen voll. Die beiden Mittdreißiger beschlossen im vergangenen August einvernehmlich, sich scheiden zu lassen. Und da in Frankreich eine Scheidung im beiderseitigen Einverständnis tatsächlich blitzschnell gehen kann, war ihre Trennung bereits vor dem Weihnachtsfest amtlich besiegelt.

Auch wenn sich Ehepartner bei der Hochzeit das Ja-Wort theoretisch für die Ewigkeit geben, sieht die Praxis häufig anders aus. In der EU werden jährlich rund eine Million Ehen wieder aufgelöst, obwohl Scheidungsverfahren teuer sind und lange dauern können. Allein unseren französischen Nachbarn wird dieser Schritt denkbar leicht gemacht. Nicole und Jerome etwa leiteten ihre Scheidung per Mausklick auf der Internetseite einer auf solche Fälle spezialisierten Anwaltskanzlei ein. Zweieinhalb Monate später war alles vorüber. Die Kosten? 289 Euro!

123.500 Ehen sind 2014 in Frankreich geschieden worden, 54 Prozent davon im beiderseitigen Einverständnis. Sind sich die Ehegatten im Vorfeld der Trennung über alle wichtigen Details einig, dauern selbst klassische Verfahren selten länger als vier Monate. Nur die Kosten, die zwischen 1900 und 2400 Euro liegen, sind höher als bei den sogenannten „Web-Trennungen“, die lediglich mit 250 bis 500 Euro zu Buche schlagen.

Frankreichs Justizminister Jean-Jacques Urvoas aber ist das immer noch zu teuer und zu langwierig. Er hat der Nationalversammlung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, nach dem Ehen demnächst sogar ohne Richter geschieden werden könnten, wenn sich die Betroffenen keinen Rosenkrieg liefern.

Die Reform, über die die Abgeordneten der Nationalversammlung derzeit diskutieren, sieht vor, dass Eheleute ihre einvernehmliche Scheidung einfach bei einem Notar registrieren lassen können. Dieser notarielle Akt, dessen Kosten laut Gesetzesentwurf nur 50 Euro betragen sollen, würde derselbe juristische Wert wie einem richterlichen Scheidungsurteil zuerkannt. Nur wenn sich ein Kind zur Trennung seiner Eltern äußern will, müsste ein Richter hinzugezogen werden.

Hintergrund des neuen Gesetzes sei die Überlastung französischer Richter, erklärt die deutschstämmige Pariser Rechtsanwältin Margot Felgenträger. „70 Prozent der richterlichen Aufgaben in Frankreich betreffen Familiensachen.“ Aus Sicht des Justizministers lässt sich dort viel Geld und Zeit sparen, wenn zumindest die Scheidungen wegfallen. Die Franzosen begrüßen die Initiative. Bei einer Befragung sprachen sich 2013 rund 67 Prozent für eine Scheidung per Notar aus, weil sie eine Trennung als das Resultat eines „intimen Streits“ ansehen und die Rolle des Richters als einen Eingriff in ihre Privatsphäre. Damit aber kein Scheidungspartner den anderen über den Tisch zieht, ist im Gesetz doch noch eine Sicherheit eingebaut. „Bisher konnten sich alle Scheidungsparteien von einem gemeinsamen Anwalt vertreten lassen“, erklärt Anwältin Felgenträger. „In Zukunft bräuchte aber jeder einen eigenen.“

In Deutschland sind „Online-Scheidungen“ derzeit nicht erlaubt – aber denkbar, sagt die Expertin. „Es muss nur jemand auf die Idee kommen.“ Bisher dauert eine einvernehmliche Scheidung in Deutschland – nach Ablauf des Trennungsjahres – in der Regel vier bis sechs Monate. Ein Richter aber muss die Scheidung bestätigen.