„Sing Street“ ist eine Hommage an den 80er-Pop

    Die 80er-Jahre sind für Irland ein Schicksalsjahrzehnt. Die Wirtschaft liegt am Boden. Der Blick in die Zukunft ist düster. Hier, im Dublin des Jahres 1985, hat John Carney „Sing Street“ angesiedelt. Er hat damit einen wunderbaren Musikfilm geschaffen, der selbst komponiert ist wie ein schräg geschminkter Popsong.

    Der 15-jährige Conor (Ferdia Walsh-Peelo) wächst mit seinem älteren Bruder Brendan (Jack Reynor) in Dublin auf. Das Geld ist knapp. Der Vater (Aidan Gillen), ein Architekt, bekommt kaum noch Aufträge, die Mutter (Maria Doyle Kennedy) verliert sich in einer Affäre. Die Familie droht in Zeiten der Rezession zu zerbrechen. So muss Conor von der zu teuren Privatschule auf eine öffentliche katholische Schule in der Stadt wechseln, die mit harter Hand von Brother Baxter (Don Wycherley) geleitet wird. Der sich nach Harmonie sehnende Conor eckt schnell überall an. Er wird gemobbt von feisten Mitschülern, wird drangsaliert von Brother Baxter, steht das aber geradezu stoisch gelassen durch. Und dann trifft er eines Tags vor der Schule Raphina (Lucy Boynton). Es ist Liebe auf den ersten Blick.

    „Keine Frau kann ernsthaft einen Mann lieben, der Phil Collins hört“

    Die 16-jährige Raphina gibt sich cool. Sie träumt von einer Modelkarriere, weshalb Conor ihr übereifrig eine Rolle im neuen Musikvideo seiner Band anbietet. Das Dumme daran ist nur: Er hat gar keine Band. Er kann nicht mal richtig Gitarre spielen. Und das muss er schnellstens ändern. Mit einigen anderen Außenseitern seiner Schule gründet er die Band Sing Street, die sich an Duran Durans „Rio“ versucht, schnell aber eigene Songs schreibt. In seinem kiffenden Bruder Brendan, der selbst die Schule längst geschmissen und alle Träume einer eigenen Musikerkarriere begraben hat, findet er seinen Mentor.

    Brendan hat für das Quellenstudium genau die richtige Plattensammlung. Als Conor zweifelt, weil sie ihre Instrumente nicht richtig spielen können, meint er: „Glaubst Du vielleicht, die Sex Pistols konnten richtig spielen? Wer seid ihr? Steely Dan?“ Und als Conor feststellen muss, dass Raphina einen älteren Freund hat, der im Cabrio Genesis hört, sagt er: „Keine Frau kann ernsthaft einen Mann lieben, der Phil Collins hört.“

    Sein Gespür für in Musikfilme verpackte Lovestorys hat John Carney bereits bewiesen. 2007 mit „Once“, 2013 dann mit „Can A Song Save Your Life?“. „Sing Street“ nun ist eine von ganzem Herzen kommende Liebeserklärung an die Popmusik der 80er-Jahre mit all ihren Hits und Geschmacksverirrungen, an die Kraft der Musik, die hilft, den Sturm und Drang der pubertären Jahre zu überstehen. Zum Soundtrack von Duran Duran und a-ha, The Jam und Joe Jackson oder The Cure.

    Dass die Schülerband irgendwann viel zu perfekt klingt – geschenkt. Das Schöne an diesem Film ist, dass er zwar einmal mehr sämtliche Coming-of-Age- und Wir-gründen-eine-Band-Klischees bedient, sie aber so wahrhaftig ausbreitet, dass es keinen Moment lang peinlich wird. Einer der schönsten Filme dieses Sommers.

    „Sing Street“ IR/GB/USA 2016, 106 Min., ab 6 J., R: John Carney, D: Ferdia Walsh-Peelo, Lucy Boynton, Aidan Gillen, täglich im Abaton, Passage, Savoy, UCI Othmarschen; www.filmnation.com/sing-street/