Pöbeln ist keine Politik: In Zeiten des um sich greifenden Rechtspopulismus in Europa und Amerika brauchen wir einen Benimmkonsens.

Bevor der Bundeskanzler „Mehr Demokratie wagen“ forderte, sagte er etwas weithin Unbeachtetes: „Demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen.“ In seiner Regierungserklärung 1969 machte Willy Brandt Höflichkeit, Respekt und Zugewandtheit zur alternativlosen Benehmensbasis von Demokratie. Gegen Willys Worte wird weltweit verstoßen. Ob der konservative US-Kandidat oder manche AfD-Kraft, ob in Ungarn, Polen, Frankreich – von überall her tönt Lautes und Höhnisches, Zuhören gilt als Schwäche. Die Gegner sind übrigens nicht viel besser. Ja, Wähler haben entschieden mit ihren Stimmen, dem edelsten Gut der Demokratie, dass die Brachialen beim Machtspiel mitmachen dürfen. Gleichwohl gilt der brandtsche Imperativ: Ohne Respekt ist alles nichts.

Putzig, dass die Rechte schafft, wovon die Linke träumte: eine aggressive Bewegung, die den Regierenden Dampf macht. Die Demokratie erlaubt, Andersdenkende gern auch hart zu bekämpfen. Aber es ist nicht Aufgabe von Volksvertretern, die wachsende Alltagswut zu spiegeln. Je härter der Kampf, desto einvernehmlicher muss der Benimmkonsens gelten. Dass ein ordentliches Gericht das Böhmermann-Gedicht in Teilen als ehrverletzend einstufte, zeigt die feine Linie zwischen großer Klappe und Respekt.

Trump und die anderen spucken auf die Errungenschaft des gepflegten Umgangs. Kein Problem, sagen Staatsoptimisten, diesen Typus muss eine Demokratie aushalten. Wer Mist macht, wird halt wieder abgewählt. Bis dahin aber ist das gesellschaftliche Klima vergiftet.

Die Briten kennen den Begriff „sportsmanship“, der Fairness als Mutter des Miteinanders begreift. Soeben wurde der eher bescheidene Busfahrersohn Sadiq Khan zum neuen Londoner Bürgermeister gewählt, obgleich oder weil sein Gegenkandidat eine unfaire Schmutzkampagne inszenierte. Auch Österreichs neuer Kanzler Kern scheint immun gegen das Krawall-Virus. Gut so. Die Antwort auf Pöbelpolitiker lautet: mehr Fairness wagen.