Hagen .

Am Morgen danach erinnern nur einige weiße und gelbe Markierungen auf der Fahrbahn an den von zwei Rasern verursachten Unfall. Auf der Kreuzung in der Nähe der Fernuniversität Hagen hatte ein illegales Autorennen zwischen zwei Männern am Donnerstagabend ein folgenschweres Ende genommen. Ein sechsjähriger Junge kämpfte am Freitag in einer Klinik noch um sein Leben. Außer ihm wurden auch seine Mutter, 37, und seine elfjährige Schwester sowie ein weiterer 30-jähriger Autofahrer schwer verletzt.

„Verkehrsunfälle passieren nicht, sie werden verursacht“, sagt der Leiter der Verkehrsdirektion der Hagener Polizei, Michael Hoffmann, als er am Freitag die fatalen Abläufe schildert. Begonnen hatte die Kraftprobe der zwei Männer gegen 21 Uhr – fast vor den Türen der Polizei. Ein 46 Jahre alter Fahrer und ein 33-Jähriger stehen an der Ampel, an der man zum Polizeipräsidium abbiegt. Die beiden Männer müssen das Beschleunigungsrennen wohl spontan ausgemacht haben, vermutet die Polizei.

Als die Ampel auf Grün springt, rasen die Männer in einem Audi und einem Skoda geradeaus los. Tempo 50 ist auf der vierspurigen Straße erlaubt – fast doppelt so schnell müssen die beiden Wagen unterwegs gewesen sein, schätzt die Polizei nach ersten Ermittlungen. Die beiden seien jedenfalls „deutlich verkehrswidrig unterwegs“ gewesen, sagt Hoffmann. Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli nennt die Beweissituation „relativ günstig“. Neben technischen Daten gebe es auch Zeugenaussagen.

Ein Rennbeteiligter war zunächst geflohen

Nach etwa 600 Metern beginnt hinter einer leichten Rechtskurve eine fatale Kettenreaktion. Eine 76-Jährige kommt mit ihrem Kleinwagen vom Parkstreifen am Rande der Straße, die beiden mutmaßlichen Raser versuchen auszuweichen, der 46-Jährige im Skoda verliert die Kontrolle über seinen Wagen und kollidiert auf der Gegenfahrbahn mit dem Auto der 37-jährigen Mutter. Sie und ihre beiden Kinder werden schwer verletzt. Ihr Wagen prallt gegen das Auto eines 30-Jährigen. Dieser wird ebenfalls schwer verletzt. Dennoch haben die Opfer laut Ermittler Hoffmann noch Glück gehabt. „Wären die Insassen nicht angeschnallt gewesen, wären sie tot.“

Ines Thomas feiert zu dem Zeitpunkt auf der Terrasse eines Restaurants an der Unfallstelle mit Freunden ihren Geburtstag. Ein schrecklicher Knall sei das gewesen, sie habe erst gar nicht hinsehen können, erzählt die junge Frau. Ein Kellner sei heruntergelaufen und habe einen Mann aus seinem Auto geholt. Zum Glück sei ein Rotkreuzfahrzeug zufällig vorbeigekommen, sodass schnell Erste Hilfe geleistet wurde. Der 33-jährige Unfallfahrer hatte sich da schon aus dem Staub gemacht, später stellte er sich in Begleitung eines Anwalts bei der Polizei.

Hoffmann beschreibt die Unfallstelle später als Trümmerfeld. „Unfassbare Kräfte“ hätten auf die Autos gewirkt. Als „Raserstrecke“ sei die Feith­straße nicht bekannt, versichert er. Auf der Straße gebe es häufig Geschwindigkeitskontrollen. Überrascht ist der Verkehrspolizist vom Alter der Raser – 46 und 33 Jahre. Er hält es auch für ungewöhnlich, dass ein Skoda Fabia sich im Rahmen eines Wettstreits mit einem Audi A6 anlege. Klar ist, dass der Fahrer des Audi den Wagen nicht besitzt. Es handelt sich um eine dauerhafte Leihgabe. Beide Fahrer sind auf freiem Fuß. Juristisch drohen ihnen Anklagen wegen schwerer Verkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung und, im Falle des Audi-Fahrers, auch wegen Fahrerflucht.

Illegale Autorennen liefern sich meist jüngere Männer. Mehrheitlich sind die Raser zwischen 18 und 27 Jahre alt, wie die Kölner Verkehrspsychologin Daniela Rechberger sagte. „Es kommt aber auch immer mal wieder vor, dass sich ältere Männer Rennen liefern.“ Es gehe ihnen häufig darum, mangelndes Selbstvertrauen auszugleichen und zu zeigen, „dass man der Tollere, der Stärkere, der Bessere ist“.