Reichweiten und Erfolge sind für die Vermarktung immer weniger entscheidend. Sponsoren wollen auch an den sozialen Werten teilhaben.

    Na wer sagt’s denn, es gibt auch noch gute Nachrichten aus dem Hamburger Sport! An diesem Sonntag findet in der Jahnkampfbahn die Premiere des Run Fun Days statt. Der lässt sich wie folgt zusammenfassen: Erst laufen Menschen wie du und ich auf zwei verschiedenen Strecken durch den Stadtpark mit dem Ziel, ein bisschen Spaß zu haben. Dann laufen Hamburger Spitzenathletinnen wie Jana Sussmann und Agata Strausa auf zwei verschiedenen Strecken durchs Stadion mit dem Ziel, sich für Olympia zu qualifizieren.

    Die Veranstaltung ist aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Der erste: Sie passt mit ihrer Verbindung von Breiten- und Leistungssport idealtypisch in das sogenannte Hamburger Format, wie es in der Dekadenstrategie der Zukunftskommission Sport für die Top-Ten-Veranstaltungen der Stadt gefordert wird. Der zweite: Der Run Fun Day hat auf Anhieb einen Titelsponsor gefunden.

    Das verdient aus aktuellem Anlass leider Erwähnung. Aber es ist auch ein Signal, das Mut macht in diesen Tagen, in denen die Visitenkarten des Hamburger Sports nur so davonfliegen. Der HSV Handball? Von seinem einstigen Liebhaber fallen gelassen bis in die Dritte Liga. Die Hamburg Freezers? Von einem US-amerikanischen Großinvestor kaltgestellt. Das Volleyballteam Aurubis? Nach dem Verlust seines Namensgebers ohne Existenzgrund­lage für die Erste Liga. Die Hamburg Cyclassics? Nach dem Rückzug des Titelsponsors möglicherweise bald auf Abwegen ins Ausland. Der Alstercup für Ruderer und Kanuten mit dem Deutschland-Achter als Stargast? Mangels Interesse bei Zuschauern, Fernsehen und Sponsoren vorerst eingestellt, wahrscheinlich für immer. Der Sport hat in Hamburg wahrlich schon bessere Zeiten erlebt, nicht erst in jenen 17 Monaten, in denen die olympische Flamme aufflackerte, bevor die Bürger sie am 29. November per Referendum ausgepustet haben.

    Ein Run Fun Day allein kann daran nichts ändern. Aber er könnte einen Weg aus der Krise weisen. Es gibt sie nämlich auch fernab des Fußballs durchaus noch, die wirtschaftlich erfolgreichen Formate im Hamburger Sport. Und sie haben eines gemeinsam: Sie bieten ihren Sponsoren einen Mehrwert, den sie woanders nicht bekommen.

    Um eine Profimannschaft zu vermarkten, reicht es längst nicht mehr, Werbeflächen anzubieten und Reichweiten vorzurechnen. Selbst der sportliche Erfolg scheint, siehe Handball, keine entscheidende Gegenleistung mehr zu sein. Den Unternehmen geht es vielmehr zunehmend um einen Imagetransfer. Sie wollen, dass etwas von den Werten, die der Sport verkörpert, auf ihre Marke abfärbt. Ebendiese Werte aber verschwimmen zusehends. Immer mehr Menschen denken bei Profisport auch an Doping, Korruption, Kommerz. Man kann es ihnen nicht übel nehmen.

    Dabei kann der Sport so viel für die Gesellschaft leisten. Und wenn er dies auf glaubwürdige Weise herausstreicht, wird er auch Unterstützer finden. Bestes Beispiel dafür sind die Hamburg Towers, die durch den Wegfall von Handball und Eishockey unverhofft zum Publikumsliebling Nummer drei in der Stadt hinter HSV und St. Pauli aufgestiegen sind. Das Basketball-Zweitligateam wurzelt in einem Sozialprojekt in Wilhelmsburg, das zum Ziel hat, benachteiligten Kindern und Jugendlichen in dem Stadtteil allgemeine Werte des Zusammenlebens zu vermitteln. Die Profimannschaft war nie Daseinszweck dieses Vereins, sondern nur sein prominentester Botschafter.

    Seit Jahresbeginn werden die Towers von Vattenfall unterstützt. Der Stromversorger hatte zuvor jahrelang die Cyclassics gesponsert – sicher nicht aus Begeisterung für den dopingbelasteten Profisport, sondern weil er die Nähe zur natürlichen Energie der Jedermann-Radfahrer suchte.

    Auch die HSV-Handballer scheinen verstanden zu haben. Sie setzen für den Neuanfang konsequent auf die Jugendarbeit und haben damit auf Anhieb namhafte Förderer gewinnen können, darunter die Deutsche Bahn. Für einen Drittligisten in einer Randsportart, die der Handball auch im Land des Europameisters ist, ist das ein beachtlicher Erfolg. Er könnte für das Überleben dieses Vereins wertvoller sein als der ­x-te Pokal.