Die Doku „Die Prüfung“ beobachtet ein Vorsprechen an der Schauspielschule Hannover

    Man könnte ja meinen, dass einem all diese Castinggeschichten längst über sind. Irgendwo will ja immer irgendwer Popstar werden oder Topmodel oder Supertalent. Oder wenigstens berühmt. Und natürlich haben wohl auch die jungen Menschen in diesem Dokumentarfilm von Till Harms keine Einwände gegen ein bisschen Berühmtheit im Verlauf ihrer Karriere, alles andere wäre nicht bloß verlogen, sondern schlicht merkwürdig: Sie wollen schließlich an einer Schauspielschule angenommen werden und sprechen darum vor einer strengen Jury aus Bewegungs-, Sprach- und Rollenlehrern vor. Trotzdem findet sich hier etwas, das den oft zynischen Castingshows im Trash-TV gern mal abgeht: Authentizität und Idealismus, (fast) ohne die Bewerber vorzuführen. Die Prüfungskommission jedenfalls wird nicht weniger ausgestellt.

    „Die Prüfung“ heißt Harms Film schlicht, der sich eines Kommentars enthält und die Kamera einfach beobachten lässt. Die Staatliche Schauspielschule in Hannover vertraute dem Dokumentarfilmer offenbar so weit, dass sie ihn einige Wintertage lang nicht nur am Vorsprechen teilnehmen, sondern auch die Beurteilungssitzungen freimütig filmen ließ. Siehe da: Die Charaktere in der Lehrerschaft sind skurriler, als man zunächst ahnt, die emotionalen und atmosphärischen Schwingungen und Machtverhältnisse wirklich nicht unspannend. Ja, auch an dieser Stelle lernt man so einiges über das Theater ...

    Natürlich speist sich auch Harms Film zum Teil aus Voyeurismus. Aber er ist niemals gemein, niemals bösartig. Er betrachtet junge Menschen, die vor allem für die Bühne brennen, die ans Theater wollen und die bereit sind, dafür an vielen, womöglich an allen staatlichen Schauspielschulen des deutschsprachigen Raums Rollen zu präsentieren, eine Runde weiterzukommen, vielleicht, und am Ende genommen zu werden, vielleicht. Bei den eindeutig Talentierten, die nicht nur Hingabe, sondern auch noch (unbezahlbar!) Charisma mitbringen, dreht sich dann das Bild, und es ist plötzlich die Hochschule, die um den potenziellen Schüler buhlt. Damit er nicht etwa nach Berlin geht, auf die noch bessere, noch bekanntere, noch hippere Konkurrenzhochschule.

    „Die Prüfung“ ist ein durchaus sehenswerter (Nischen-)Film. An Andres Veiels unfassbar genaue und tolle Langzeitdoku „Die Spielwütigen“ von 2004 indes kommt Till Harms nicht heran.

    „Die Prüfung“ D 2016, 96 Min., o. A., R: Till Harms, im Abaton