Bremen will Besitz von 15 Gramm Marihuana erlauben. Hamburgs Polizei zeigt dagegen Härte. Bei den Dealern aber herrscht Hochkonjunktur.

    „Marihuana – sollten wir umdenken?“, fragte die Zeitschrift „National Geographic“ vor einem halben Jahr. In immer mehr Ländern und allein 23 US-Bundesstaaten ist der Cannabisgenuss für medizinische Zwecke inzwischen erlaubt.

    Auch bei uns dürfen chronisch Kranke jetzt Hanf anbauen, um damit Schmerzen zu lindern, wie das Bundesverwaltungsgericht gerade in einem Grundsatzurteil entschieden hat. Viele Nationen lockern auch ihre Verbote für gesunde Cannabiskonsumenten. In Österreich wird seit Januar eine Cannabismenge von bis zu fünf Gramm zum Eigenbedarf toleriert. Statt einer Anzeige wird der Fall der Gesundheits­behörde gemeldet, die dann bewerten soll, ob ein missbräuchlicher Konsum vorliegt und der Konsument an Beratungsgesprächen teilnehmen muss.

    In Bremen soll der Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis künftig nicht mehr bestraft werden, auch sollen am Steuer angetroffene Kiffer nicht mehr automatisch ihren Führerschein verlieren. Darüber hinaus will Bremen eine Bundesratsinitiative starten, um eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes zu erreichen. Langfristiges Ziel ist die kontrollierte Abgabe von Marihuana an Erwachsene. In Nordrhein-Westfalen stößt das Vorhaben auf Sympathien.

    In Hamburg kommt die Diskussion nur im Schneckentempo voran. Gäbe es den alljährlichen Hanftag nicht, würde das Problem wohl in Rathausschub­laden weiter vor sich hin stauben. Der diesjährige Hanftag am Sonnabend hat erneut gefordert, dass Hamburg sich der Bremer Bundesratsinitiative anschließen soll. Außerdem solle die in Hamburg tolerierte Menge von sechs Gramm auf 15 Gramm angehoben werden. Unterstützung kam von Justiz­senator Till Steffen (Grüne): Polizei und Justiz hätten Wichtigeres zu tun, als den Besitz kleiner Mengen Cannabis zu verfolgen, wenn die Verfahren hinterher sowieso eingestellt würden.

    Polizeipräsident Ralf Meyer setzt gleichwohl weiter auf die Polizei: Eine 50-köpfige Drogen-Taskforce soll Dealern vor allem auf St. Pauli, in der Schanze und in St. Georg das Leben schwer machen. Ende April bescherte die verstärkte Polizeipräsenz den Bewohnern rund um die Reeperbahn zwar ein paar wenige dealerfreie Tage. Aber beim Hafengeburtstag und am Pfingstwochenende herrschte bei den Dealern wieder Hochkonjunktur: „Do you need some-thing, my friend?“

    Auch in Berlin hatten Innense­nator Henkel und Justizsenator Heilmann (beide CDU) es mit einer „Null-Toleranz-Strategie“ rund um den Görlitzer Park in Kreuzberg versucht. Die Bilanz nach einem guten Jahr: Eine erkennbare Wende hat sie nicht gebracht. Nach Polizeieinsätzen sei „regelmäßig wieder eine Rückkehr der Händlerklientel in den Parkbereich zu beobachten“, klagte Innenstaatssekretär Krömer (CDU). Allenfalls werde eine „weitere Verfestigung und Ausweitung“ des Drogenhandels verhindert. Soll heißen: Mehr als aufstören geht nicht.

    Die Lage hat sich also festgefahren zwischen Prohibition und Resignation. Einerseits will man an der Prohibitionspolitik in Sachen Cannabis nichts ändern; andererseits ist die Polizei mit den Folgen der Prohibition längst überfordert. Der Straßenhandel hat sich so verfestigt, dass er sich kaum noch eindämmen lässt. Die Prohibition lässt der Polizei keine Chance: Sie muss Kleindealer und Kleinkonsumenten verfolgen, auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlenflügel ist. Die gleiche Prohibitionspolitik erzeugt aber erst den blühenden Straßenhandel, der Anwohner nervt. Hier beißt sich die Logik in den Schwanz.

    Für Stillstand und Nichtstun gibt es wie immer prima Argumente. Etwa, dass selbst Coffeeshops oder „Cannabis Social Clubs“, in denen legal Cannabis geraucht werden darf, noch keine Garantie für ein Verschwinden des illegalen Handels wären.

    Richtig. Aber sie wären wenigstens eine Garantie für die Einhaltung von Jugendschutz und kontrollierter Qualität. Die alten Grabenkämpfe – „friedliche Kiffer“ kontra „verantwortungsvolle Gesundheitspolitiker“ taugen nichts mehr. Gefragt ist der Mut, etwas Neues auszuprobieren. Wer bloß stillsteht, wird an der Lage nichts ändern.