Hamburg. Jens Kerstan ist „sehr verärgert“ über das Vorgehen der SPD – und löst damit die erste Koalitionskrise aus

    In der rot-grünen Koalition in Hamburg ist erstmals ein offener Streit ausgebrochen, der sich zu einer ernsthaften Krise zu entwickeln droht. Anlass ist das „Bündnis für das Wohnen“ zwischen Stadt und Wohnungswirtschaft. Nachdem Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) am Donnerstag bereits verkündet hatte, die neue Vereinbarung, nach der in Hamburg künftig jährlich 10.000 Wohnungen gebaut werden sollen, sei unter Dach und Fach, legte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan jetzt sein Veto ein – und attackiert damit indirekt auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der das Bündnis hinter den Kulissen selbst verhandelt hatte.

    Was Stapelfeldt mitgeteilt habe, sei lediglich ein „interessanter Zwischenstand“, sagte Kerstan dem Abendblatt. „Es gibt aber bisher keine Einigung mit der Umweltbehörde und mir. Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen.“ Er sei „sehr verärgert“ über Stapelfeldt, die mit ihrer Pressemitteilung vorgeprescht sei, obwohl noch viele Fragen offen seien, heißt es aus seiner Behörde. Nach derzeitigem Stand könne die Umweltbehörde dem Bündnisvertrag nicht zustimmen, und Kerstan werde ihn nicht unterzeichnen.

    Dafür gibt es aus Sicht der Umweltbehörde vor allem drei Gründe: Bisher gebe es keine ausreichende Regelung dafür, wie der Verlust von „Naturkapital“ durch die Bebauung von Grün- und Freiflächen vor allem am Stadtrand kompensiert werden solle. Nach Kerstans Plan soll ein Ausgleichsmechanismus zumindest zusätzliche Mittel für den Erhalt und die Pflege von Natur- und Grünflächen an anderer Stelle zur Verfügung stellen. Zudem sei noch strittig, wie durch stärkere Nachverdichtung in Innenstadtgebieten der Druck auf die Freiflächen gemindert werden könne, da das innerstädtische Grün unbedingt erhalten werden müsse. Dabei geht es unter anderem darum, wie hoch gebaut werden darf. Aus ökologischer Sicht ist es oft sinnvoller, höhere Gebäude zu errichten, statt mehr Grünfläche niedrig zu bebauen.

    Kerstan kann vor allem dadurch Druck ausüben, dass er als Umweltsenator Grüngebiete für den Wohnungsbau freigeben müsste. Dabei geht es auch um Schutzgebiete, in denen nun neben Wohnungen für Flüchtlinge auch Wohnungen für den freien Markt gebaut werden sollen. Für SPD-Bürgermeister Olaf Scholz ist das Bündnis mit der Wohnungswirtschaft eines der wichtigsten Projekte überhaupt.

    Die Grünen hatten in der Koalition mit der SPD viele Zugeständnisse gemacht und wollen nun offenbar ein Signal setzen. Senatssprecher Jörg Schmoll beließ es am Freitag bei einem Beschwichtigungsversuch. „Der Senat ist einig“, sagte er trotz des Kerstan-Vetos. „Das Bündnispapier ist zwischen den zuständigen Behörden abgestimmt worden. Die Stadtentwicklungs- und die Umweltbehörde arbeiten an einer gemeinsamen Umsetzung. Die Gespräche sind auf einem sehr guten Weg.“

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