Osteopathen spüren mit Fingerspitzengefühl Blockaden beim Patienten auf und regen dessen Selbstheilungskräfte an

    Fingerspitzengefühl ist unabdingbar. Denn Osteopathen behandeln nur mit ihren Händen. Sie versuchen, wie schon der Vater der Osteopathie, Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917), Bewegungseinschränkungen im Gewebe aufzuspüren, diese mit sanften Griffen zu beseitigen und so die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen.

    Sie gehen davon aus, dass Bewegungsapparat, Schädel und Rückenmark sowie die inneren Organe als komplexe Systeme durch Gewebenetze, Faszien genannt, verbunden sind. „Gibt es irgendwo eine Blockade und ist die Beweglichkeit im System einschränkt, dann kommt es zu Beschwerden“, sagt Christine Hartherz, Physiotherapeutin mit Zusatzausbildung in Osteopathie. „Wir suchen dann nach dem Ursprung der Beschwerden, denn wir wollen die Ursachen behandeln.“

    So kann ein blockierter Fußwurzelknochen zu Kopfschmerzen führen oder ein blockiertes Iliosakralgelenk nicht nur Kreuz- sondern auch Unterleibsbeschwerden auslösen. Wichtig sei daher, dass die Behandler über ein fundiertes medizinisches Grundwissen verfügen, um einschätzen zu können, was im Körper womit zusammenhängt.

    Das Problem ist: Die Berufsbezeichnung Osteopath ist nicht geschützt. Ob der Therapeut ein paar Crashkurse oder eine fünfjährige Ausbildung, wie die Mitglieder des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD), absolviert hat, ist auf einem Praxisschild nicht zu erkennen. „Osteopathie braucht Zeit, um das Tastempfinden zu trainieren“, betont Christine Hartherz. Es ist also ratsam, sich zu erkundigen, welche Qualifikation der Behandler hat.

    Kritiker bemängeln ohnehin, dass der Osteopathie als Therapieform Qualitätskontrolle und wissenschaftliche Fundierung fehlen. 2009 ließ die Bundesärztekammer Osteopathie wissenschaftlich bewerten. Die Experten werteten Studien aus und folgerten, dass „einigermaßen zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit und Effektivität osteopathischer Behandlungen nur bei wenigen Erkrankungsbildern vorliegen“. Das gelte insbesondere für chronische Schmerzen der Wirbelsäule. Gleichwohl ist sie als alternative Therapieform inzwischen etabliert. Mehr als fünf Millionen Menschen begeben sich nach Schätzungen des VOD jährlich in die Hände dieser Spezialisten, unter ihnen auch Olympioniken und Fußballprofis. Mehr als 100 gesetzliche Krankenkassen erstatten zumindest anteilig die Kosten der Behandlungen, die 30 bis 50 Minuten dauern und zwischen 60 und 150 Euro kosten. Wer wissen will, wie es seine Kasse hält, muss diese vor Beginn der Behandlung fragen.

    Osteopathen behandeln nicht nur Rückenleiden. Auch bei Babys mit Schreikoliken, bei Hüft-, Schulter oder Knieproblemen, Verdauungsstörungen oder Sodbrennen, Migräne oder Menstruationsbeschwerden versuchen sie, mit sanften Griffen das Leiden zu lindern. (ang)