London.

Für die Kinder klingt es wie eine gute Nachricht, doch der Hintergrund ist ernst. Am heutigen Dienstag sollen Tausende Zweitklässler in England nicht zum Unterricht erscheinen. „Lasst eure Kids am 3. Mai zuhause!“, ruft die Elternvereinigung „Let Our Kids Be Kids“ im Internet zum landesweiten Schulboykott auf. „Nichts anderes scheint zu funktionieren – niemand achtet auf die Stimme von Eltern, Lehrern, Schuldirektoren oder Gewerkschaften, die sagen, dass das Schulsystem ein Schlamassel ist“, begründet man den Schulstreik.

Der Grund für den elterlichen Ärger sind die sogenannten SAT-Tests, die Zweitklässler in der ersten Maiwoche zu absolvieren haben. Dabei handelt es sich um sechs Klausuren, die die sechs bis sieben Jahre alten Zweitklässler in Englisch und Mathematik machen müssen. Und in diesem Jahr sind diese Tests deutlich schwieriger geworden. Grundschullehrer haben schon Monate vorher ihre Zöglinge darauf vorbereiten müssen. Das habe zu einem Leistungsdruck geführt, argumentieren die Eltern, die den Kindern das Lernen verleidet. Die schulische Überforderung habe dazu geführt, dass „sechsjährige Kinder sich selber als Versager bezeichnen und weinen, wenn sie in die Schule gehen müssen.“ Selbst Erwachsene würden sich mit Fragen wie folgender vermutlich schwertun: „Poppy hält das Babykaninchen sanft im Arm. Welche Wortart ist das Wort „sanft“: ein Adjektiv, ein Adverb ein Nomen oder ein Verb?“ Oder: Was sind drei Viertel von 60?

Ein Sechsjähriger sei mit diesen Fragen völlig überfordert, meinen die Eltern. Die Kinder sollten nicht auf dieses Niveau gedrillt werden. Stattdessen sollten sie lieber draußen spielen, singen, Freundschaften schließen und Sozialkompetenzen entwickeln. „Diese Examen stressen die Kinder. Das für ihre Vorbereitung nötige Lehrprogramm, unterdrückt und langweilt sie.“

Die von fünf wütenden Eltern gegründete Gruppe „Let Our Kids Be Kids“ sammelte auf ihrer Facebook-Seite schnell mehr als 20.000 Fans. Gleich zwei Petitionen, die nach einem Ende der SAT-Tests rufen, hat man in Umlauf gebracht und erhielt so viel Unterstützung, dass sich die Regierung daraufhin zu einer Antwort gezwungen sah.

Das Erziehungsministerium gab sich allerdings völlig ungerührt. „Wir entschuldigen uns nicht dafür, große Hoffnung in alle Kinder zu setzen und Schulen zu ermutigen, jedem einzelnen Schüler zum Erfolg zu verhelfen“, hieß es von Erziehungsministerin Nicky Morgan. Man habe die SAT-Tests schwieriger gemacht, um sie den höheren Standards des nationalen Lehrplans anzupassen und mit den international besten Normen gleichzuziehen.