Luigi Dallapiccolas „Il prigioniero“ beim Musikfest

Gibt es eine perfidere Art der Folter als die enttäuschte Hoffnung? Der italienische Komponist Luigi Dallapiccola (1904–1975) betrachtet in seiner Oper „Il prigioniero“ das Phänomen der Freiheit, Thema des diesjährigen Internationalen Musikfests, von ihrem physischen Gegenteil her: der Gefangenschaft. Ein namenloser Mann ist der Willkür eines Herrschers ausgeliefert. Dieser gibt sich als ein dem titelgebenden Gefangenen wohlgesinnter Kerkermeister aus, ermutigt sein Opfer zur Flucht und lässt die Zellentür offen stehen – um den Gefangenen, der sich schon in Freiheit wähnte, dann auf dem Scheiterhaufen hinrichten zu lassen.

Der Bariton Michael Nagy singt in der konzertanten Aufführung die Titelrolle. Thomas Hengelbrock dirigiert das NDR Elbphilharmonie Orchester, den NDR Chor und den Dänischen Rundfunkchor. Dallapiccolas Musik stellt er den groß angelegten Eingangschor „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen“ aus Bachs Matthäuspassion voran. ­Damit antwortet Hengelbrock gleichsam auf die szenische Aufführung der Matthäuspassion, mit der das Musikfest einen Tag vorher eröffnet – und schlägt zugleich einen Bogen über Jahrhunderte Musikgeschichte. Denn Dallapiccolas zwölftöniges Werk ist alles andere als voraussetzungslos oder geschichtsvergessen: Es spielt im Spanien des 16. Jahrhunderts. Und natürlich schwingt in diesem Kammerspiel eine andere, ­berühmte Apotheose der Freiheit mit: Beethovens „Fidelio“.

„Il prigioniero“ 22., 24.4., jeweils 19.00, Laeisz­halle. Karten zu 11,- bis 51,- unter T. 44 19 21 92