Vor allem kulinarisch haben die Deutschen Spuren hinterlassen

Die Merz Apothecary wurde 1875 von Deutschen gegründet, damals schon mit einer homöopathischen Abteilung, die bis heute existiert und Nostalgiker begeistert. Die Einrichtung der Apotheke erinnert an die Zeit des Biedermeier in Mitteleuropa, neben der unverzichtbaren Nivea Creme gibt es Pastillen gegen Husten und Heiserkeit. Von Rücken- und Gelenkschmerzen Geplagte finden eine sandartige, im heißen Wasser in der Badewanne aufschäumende Konsistenz für Bäder und Bürsten aus rustikalem Holz für das Rückenpeeling.

Alte Ton- und Keramikgefäße mit deutlichen Gebrauchsspuren erinnern in Regalen und Sideboards daran, dass sie einst für die Herstellung von Medikamenten benutzt worden sind. Natürlich ist hier auch das gesamte moderne Medikamentensortiment im Angebot, aber das gibt es ja in sämtlichen Apotheken.

Die Lincoln Square Neighbourhood zwischen Western, Montrose, Damen und Lawrence Avenue ist die letzte Insel versunkener deutscher Baukultur. Dort gibt es noch das Chicago Brauhaus, in The Huettenbar werden Biergläser bis zum Rand gefüllt, aber nie mit Schaumblume. Auch Leckereien deutscher Art gehen über den Tresen: dick geschnittene Leberkäs-Scheiben, Gurken aus dem Spreewald, Knackwurst mit Senf, „Thuringer Bratwurst“ und Pralinen.

Abgesehen von den Geschäften und Lokalen ist dem Viertel seine deutsche Grundierung kaum noch anzusehen. Dennoch fand die Lombard Lamp, ein gusseisernes Geschenk der Stadt Hamburg aus dem Jahr 1979, das an die Laternen auf der Lombardsbrücke erinnert, ihren Platz in jenem Viertel von Chicago, das im 19. Jahrhundert vor allem deutschen Einwanderern zur neuen Heimat wurde.

Einstein, Mies van der Rohe und Adenauer haben im Gesellschaftshaus der Deutschen Vereins nahebei geschwoft, Intellektuelle und Künstler hielten Gedankenaustausch und malten auf die riesige Brandmauer deutsche Landschaften so idyllisch, wie das nur vom Heimweh Verzehrte tun.

Besonders eifrig hochgehalten wird das kulinarische Erbe der Deutschen in der Küche des Berghoff Restaurants in der City. Vor 110 Jahren hat ein Einwanderer aus Dortmund das Lokal eröffnet, damals kostete das Bier fünf Cent, und ein Sandwich gab es gratis dazu. Heute bestaunen Geschäftsleute überbordende Schlachtplatten und verputzen die „Combination of Bratwurst and Kassler Rippchen, served with Sauerkraut an Potato Salad“. Großfamilien lassen es sich bei Rheinischem Sauerbraten und Wiener Schnitzel gut gehen. Die Kellner tragen schwarze Fliege zu weißem Hemd und schwere Bäuche vor sich her, Wände und Decken sind holzverkleidet, die Tische könnten aus deutscher Eiche gefertigt sein.

Das ist die „Gemutlichkeit“, wie Amerikaner sie gern mit Deutschen verbinden. Sie verstehen das als Kompliment. Liebe zu einem Land wie Deutschland geht eben am besten durch den Magen.