Alveslohe/Hemdingen. Der querschnittsgelähmte 16-Jährige aus Hemdingen hat bei einer Intensivtherapie enorme Fortschritte gemacht

Er ist erst seit gut einer Woche wieder zu Hause, aber kaum wiederzuerkennen. „Wir sind überrascht, wie gut ihm die Intensivtherapie getan hat“, sagt Nicole Falk, Mutter des 16 Jahre alten Kevin aus Hemdingen, der seit einem tragischen Unfall vor zwei Jahren querschnittsgelähmt ist. Nach der dreimonatigen Behandlung im Zentrum für Rehabilitation in Pforzheim kann ihr Sohn wieder allein essen und sitzen, sein Körper ist viel stabiler geworden, er braucht kein Korsett mehr zu tragen und nimmt kaum noch Medikamente, freut sich die überglückliche Mutter. Auch mental sei Kevin wie ausgewechselt. Keine Spur mehr von Resignation. „Er strahlt eine solche Lebensfreude aus. Jetzt weiß er, was er alles erreichen kann, wenn er den Mut und die Hoffnung nicht aufgibt.“

Diese positive Entwicklung hätte die Familie in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Direkt nach dem tragischen Unfall war die Diagnose der Ärzte niederschmetternd. Kevin würde nie wieder laufen können, würde künstlich beatmet werden müssen und für immer ein Pflegefall bleiben, hieß es. Doch das wollten Mutter und Sohn nicht akzeptieren. „Er war immer so sportlich, ein talentierter Fußballer und Breakdancer. Kevin ist ein Kämpfer“, sagte die Mutter. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten André Noffke versuchte sie alles, um für Kevin die bestmögliche medizinische Behandlung zu bekommen, damit er irgendwann selbstständig leben kann.

Kevin ist jetzt nicht mehr so stark auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen

Im Internet informierte sich Nicole Falk über Rehabilitationsmaßnahmen und entdeckte die Bobath-Therapie in dem Pforzheimer Reha-Zentrum. Dort wurde Kevin jetzt drei Monate behandelt. „Das waren sechs Stunden Therapie jeden Tag“, erzählt Kevin, während er sich in seinem Rollstuhl streckt. Eine Stunde auf einem Laufband in einem besonderen Stützgestell, das den Körper aufrichtet. Daran schlossen sich stundenlange krankengymnastische Übungen mit mehreren Therapeuten gleichzeitig an, die ihm beibrachten, mit dem Hocker zu kippeln, um den Rumpf zu stärken. 13 Wochen lang. „Das war sehr anstrengend“, erzählt Kevin. Weniger für die Muskeln, die er ja nicht spürt, als für die Konzentration. „Da wird man schnell müde“, sagt er. Viermal in der Woche sei er selbstständig mit einem speziellen Rollator gelaufen, der die Arme besonders stützt.

Die Fortschritte, die er dadurch gemacht hat, seien enorm. „Der Kreislauf ist viel besser geworden, die Spastiken sind fast weg, ich kann den Körper jetzt viel besser kon­trollieren“, sagt Kevin. „Jetzt bin ich nicht mehr so auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen.“ Im Herbst solle er zu einer Folgebehandlung ins Reha-Zentrum nach Pforzheim, sagt seine Mutter. „Das empfehlen die Ärzte.“ Dann soll er lernen, wie er sich selbstständig vom Rollstuhl ins Bett oder aufs Sofa umsetzen kann. Noch fehle ihm dazu die Motorik. „Die Kraft hätte ich schon“, sagt Kevin.

Das Problem dieser kostspieligen Intensivtherapie ist, dass Kevins Krankenkasse sie nicht bezahlen will. Darum wandte sich seine Mutter an unterschiedliche Stiftungen und Lions Clubs, wie den in Alveslohe, mit der Bitte um Spenden. Fast 50.000 Euro seien inzwischen eingegangen, sagt Nicole Falk. Das reiche beinahe, um drei Monate Therapie in Pforzheim zu bezahlen.

Allein die Stiftung des Arbeitgebers des leiblichen Vaters von Kevin habe mehr als 20.000 Euro gespendet. Seit dem Bericht im Abendblatt vor vier Wochen, über das Schicksal des Jungen, sind weitere 6000 Euro eingegangen. Nun scheint die unerwartete Genesung Kevins und die positive Diagnose der Pforzheimer Ärzte auch die Entscheider bei der Krankenkasse zum Nachdenken zu bewegen. „Die wollen jetzt prüfen, ob sie die Folgetherapie im Herbst übernehmen können“, sagt Nicole Falk. Das hatte die Kasse zuletzt noch abgelehnt. „Besser, als auf Spenden angewiesen zu sein, wäre es, wenn die Krankenkasse die Kosten trägt“, sagt Kevin. „So oder so: Ich bin allen Menschen dankbar, die mich unterstützt haben.“

Der 16-Jährige hadert nicht mit seinem Schicksal, er blickt nach vorn

Dazu gehört auch der Lions Club Alveslohe, dessen weibliche Mitglieder ihn und seine Mutter zum Benefiz-Golfturnier am 29. April auf Gut Kaden eingeladen haben. „Wir sind begeistert, welche Fortschritte die Intensivtherapie Kevins gebracht hat“, sagt Lions-Präsidentin Ina Stein. Wie mental stark Kevin inzwischen wieder ist, zeigt auch seine Reaktion auf die Frage, wie er den tragischen Unfall von vor zwei Jahren verarbeitet hat. Er sei am Trampolin hängengeblieben, als er in das aufblasbare Schwimmbecken sprang und nicht mit den Füßen zuerst, sondern mit dem Kopf aufkam, erinnert er sich. Gedanken daran, dass ihm das Schicksal übel mitgespielt habe, mache er sich nicht. „Das lohnt sich nicht. Das kann ich ja sowieso nicht mehr ändern“, sagt Kevin gefasst.

Seine positive Einstellung hat auch viel mit seinen Freunden zu tun. Die hätten ihn mit einer Begrüßungsparty empfangen, als seine Mutter ihn aus Pforzheim zurückbrachte. „Es war richtig langweilig ohne Kevin“, erzählt sein bester Freund Ole Ladewig, der Kevin nach dem Unfall fast täglich im Unfallkrankenhaus Boberg besuchte, „Unser Carport ist jetzt zu einem Haus der Jugend umfunktioniert“, sagt Kevins Stiefvater André Noffke. „Hood“ haben die Jungs ihren Treffpunkt mit Kicker genannt, nach „brotherhood“, dem englischen Wort für Brüderschaft.