Berlin.

Es brutzelt wieder. Zwar werfen mittlerweile knapp sechs Millionen Deutsche ganzjährig und mehrmals monatlich ihren Grill an – aber je wärmer es wird, desto mehr leidenschaftliche Würstchendreher sind in Gärten und Parks anzutreffen.

Doch kaum liegen Kotelett und Kartoffel auf dem Rost, schon heben die ersten den Finger: Ein Kilo dunkel geröstetes Fleisch enthält so viele Schadstoffe wie 600 Zigaretten. Stimmt das wirklich? Was bedeutet das für die Gesundheit? Und welche Fehler lassen sich vermeiden? Zumindest in einer Hinsicht sind sich Gesundheitsexperten und Grillmeister einig: Auf’s Grillen verzichten muss keiner.

Ist Gegrilltes krebserregend?

Leckeres von Fleisch bis Gemüse wird beim Grillen in einem heißen Luftstrom gegart. Ab etwa 140 Grad verbinden sich Aminosäuren und verschiedene Zucker besonders proteinreicher Lebensmittel bei der sogenannten Maillard-Reaktion zu einem herzhaft-süßlichen Bratengeschmack – Fleisch, Wurst und Co. bräunen appetitlich und nehmen das rauchige Grillaroma auf. Doch wie so oft, wenn es lecker schmeckt, ist es meist auch ungesund. Denn bei großer Hitze und in die Glut tropfendem Fett entstehen potenziell krebserregende Stoffe, die sich mit dem schönen Aroma auf das Grillgut legen. „Hauptsächlich handelt es sich hierbei um heterozyklische aromatische Amine (HAA) oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und sogenannte Nitrosamine“, erklärt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Bei Tierversuchen wirkten diese Stoffe in hohen Dosen krebserregend. Auch beim Menschen ist diese Wirkung laut Gahl, insbesondere in Bezug auf Dickdarmkrebs, nicht auszuschließen.

„PAK entstehen durch das Verbrennen von Fett, also dort wo es qualmt“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin, „mit dem Rauch schlagen sich die Verbrennungsprodukte auf der Oberfläche des gegrillten Fleischs nieder“. HAA bilden sich beim scharfen Anbraten oder Grillen, vor allem an der Oberfläche von Proteinreichem wie Fleisch und Fisch. „Je länger und heißer erhitzt wird – also je dunkler die Fleisch- oder Fischoberfläche, desto höher ist der Gehalt von HAA im Lebensmittel“, sagt Gahl. Krebserregende Nitrosamine können entstehen, wenn verarbeitetes Fleisch auf den Grill gelegt wird. „Gepökelte Fleisch- und Wurstwaren wie roher und gekochter Schinken, Frühstücksspeck, Kasseler sowie Würste mit Nitritpökelsalz, zum Beispiel Fleischwurst, Bockwürste oder Wiener Würstchen gehören nicht auf den Rost“, erklärt Gahl, „im Pökelsalz reagiert das enthaltene Nitrit mit sekundären Aminen aus dem Fleisch“.

So ungesund wie 600 Zigaretten?

Die Botschaft geistert schon lange durch zahllose Gesundheitsforen im Internet: Ein Kilogramm gegrilltes Fleisch kann so viel Benzpyren – der bekannteste Vertreter unter den PAK – enthalten wie 600 Zigaretten. Als Quelle wird immer wieder der vom Bundesernährungsministerium geförderte Informationsdienst aid genannt, auf dessen Seiten die Meldung heute nicht mehr auftaucht. „In Gegrilltem können tatsächlich die gleichen Schadstoffe vorkommen wie in Zigaretten, dennoch ist es nicht sinnvoll, das Krebsrisiko zu vergleichen“, sagt Dr. Sabine Rohrmann, Krebsepidemiologin an der Universität Zürich und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

Zum einen enthielten Zigaretten noch zahlreiche andere Komponenten, die zudem über die Lunge und nicht über den Magen oder den Darm aufgenommen würden. Zum anderen „verzehrt ein Mensch ja üblicherweise kein ganzes Kilo Fleisch“, so Rohrmann, „und ein Steak, das eine so hohe Konzentration Benzpyren enthält, müsste schon tief schwarz gegrillt sein“.

Ihr Resümee: „Wer nicht jeden Tag grillt, muss sich in der Regel nicht sorgen“ – wenn er einige Maßnahmen ergreift, um das Risiko niedrig zu halten.

Wie lässt es sich gesund

grillen?

Bei jedem Schritt des Grillprozesses lassen sich einige Vorsichtsmaßnahmen treffen, die weder den Spaß am Grillen noch den Geschmack verderben. Beim Entfachen des Feuers sollten nur Briketts oder Holzkohle unter dem Rost liegen. Hier haben weder die Zeitung von gestern noch das halbe Bein vom kaputten Küchenstuhl etwas zu suchen. „Harzreiche Hölzer und Kiefernzapfen sind ebenso wenig wie Altpapier oder behandeltes Holz zu empfehlen“, sagt Antje Gahl. Ungeduldige werfen das erste Würstchen oft schon nach wenigen Minuten auf den Grill und riskieren damit, dass das Fleisch schnell verbrennt und mehr ungesunde Dämpfe aufnimmt als nötig.

„Die Kohle muss gut durchglühen, bis sich darauf ein weißer Aschebelag gebildet hat. Das dauert etwa 30 bis 40 Minuten, dann hat der Grill die richtige Temperatur“, so Gahl. Und auch dann sollte der Rost nicht wahllos belegt werden. „Das Grillgut wird nicht direkt über der Glut positioniert, so kann kein Fett hineintropfen“, erklärt Ebbo Christ, Geschäftsführer der German Barbecue Association, die in diesem Jahr zum 21. Mal die Deutschen Grillmeisterschaften ausrichtet. Auf keinen Fall sollte das Gegrillte mit Bier abgelöscht werden, „auch dabei entstehen PAK“, warnt Gahl. Wer nicht aufgepasst und Schwarzgestreiftes auf dem Teller hat, sollte die dunklen Stellen komplett abschneiden. Gahl: „Abkratzen reicht nicht aus. Das Gleiche gilt auch für dunkel gegrilltes Gemüse, Fisch, Obst oder Tofu“.


Was rät die Ernährungsexpertin?

Auf das einzigartige Aroma von über Holzkohle Gegrilltem wollen viele leidenschaftliche Würstchenwender nicht verzichten. Trotzdem – „Sofern kein Fett auf die Heizstangen tropft, stellen Gas- oder Elektrogrills eine gute Alternative dar“, gibt Ökotrophologin Antje Gahl zu bedenken.

Wer den Holzfeuergeschmack partout nicht missen wolle, könne es aber auch einmal mit einem Vertikalgrill probieren. „Dabei wird die Hitze durch eine seitlich angebrachte Feuerbox erzeugt, es kann kein Fett in die Glut tropfen“. Auch mageres Grillgut könne das Risiko minimieren: „Schnitzel oder Kotelett vom Schwein, Geflügelschnitzel oder Steaks vom Rind. Der Schweinekamm ist besonders gut geeignet, da das Fleisch einerseits nicht zu mager, andererseits aber auch nicht zu fett ist. Auch fester Fisch wie Lachs, Forelle oder Thunfisch eignet sich gut zum Grillen“. Da vor allem rotes Fleisch selbst im Verdacht steht, in hohen Mengen Krebs zu begünstigen, könne aber auch Abwechslung nicht schaden. „Neben vielen Gemüsesorten lassen sich auch etwa Bananen oder Ananas gut grillen“, sagt Gahl.

Bei besonders stärkehaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln, Mais und Brot komme noch eine Besonderheit hinzu: „Werden sie lange oder zu heiß gegrillt, kann Acrylamid entstehen“, erklärt Gahl – ein weiterer potenziell krebserregender Stoff, den es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt. Soll es doch einmal ein richtig fettiges oder schon mariniertes Stück Fleisch sein, rät die Ernährungsexpertin dazu, es in eine Aluminiumschale zu legen: „Zwar muss dann mit einem Übergang von Aluminium in das Grillgut gerechnet werden. In Abwägung der Risiken, ist der Gebrauch beim Grillen von Fleisch aber vertretbar.“

Was rät der Grillprofi?

„Das Grillgut in eine Schale auf den Rost zu stellen hilft wenig, dann wird nicht gegrillt, sondern gebraten oder gekocht“, wendet Grillexperte Ebbo Christ ein. Sein Rat: Eine mit Wasser befüllte Keramik- oder Stahlschale unter den Grillrost stellen, „sie fängt die Säfte auf und verhindert so das Aufflammen“. Die Schale wird dabei nicht in die Glut, sondern daneben gestellt. „Viele machen den Fehler, den Grill komplett mit Glut zu befüllen, das sollte nicht passieren“, so Christ.

Auch zum Thema Gasgrill hat er eine andere Meinung: „Die Hersteller bieten zwar eine Auswahl an technischen Vorkehrungen, die Fettbrand verhindern, allerdings sind die meisten Systeme beim Auflegen zum Beispiel von fettem Bauchfleisch überfordert.“ Auch von so beworbenen „rauchfreien“ Holzkohlegrills mit batteriebetriebenen Lüftern hält der Grillprofi nichts: „Meine persönliche Meinung: Ein Holzkohlegrill der einen Propeller benötigt, um genügend Luft zu bekommen, sollte noch einmal von den Konstruktionsingenieuren überdacht werden.“ Indirektes Grillen, bei dem das Fleisch nie direkt über der Glut liegt, sei in der Regel die beste Methode.

Zudem sollten Grillfans nie mit öliger Marinade eingeriebene Lebensmittel auf den Grill legen. „Zum einen vertragen die enthaltenen Gewürze und Kräuter die große Hitze nicht. Sie werden bitter und verlieren ihr Aroma. Zum anderen ist in fertigen Marinaden teils sehr viel Zucker enthalten, dieser karamellisiert auf dem Grill“, so Christ. Besser: Öl und Marinade immer vor dem Brutzeln mit einem Küchentuch abtupfen, Kräuter und Gewürze erst nach dem Grillen verwenden.