Burkhard Fuchs. Landwirte im Kreis klagen über anhaltend niedrige Erlöse. Erste Betriebe geben auf oder stellen die Produktion um

Der niedrige Milchpreis bedroht etliche der 200 Milchbauern im Kreis Pinneberg. Denn der Marktpreis kann die Kosten für die Erzeugung schon lange nicht mehr decken. „Diese Entwicklung ist absolut existenzbedrohend“, sagt Peter Jensen-Nissen, Geschäftsführer des Bauernverbandes, der 700 landwirtschaftliche Betriebe im Kreis Pinneberg vertritt. Bei zurzeit 25 Cent, die er je Liter Milch mit seinen 85 Kühen erzielen könne, mache er jeden Monat etwa 4500 Euro Verlust, rechnet Landwirt Thomas Schröder aus Quickborn vor. „So eine bittere Situation hatten wir in dieser Dauer noch nie“, sagt sein Vater Heinrich Schröder. Er blickt auf eine 30-jährige Erfahrung als Milchbauer zurück.

Ein Ende der Niedrigpreisspirale ist nicht in Sicht. Seit der Milchpreis im November 2014 unter die 30-Cent-Marke fiel, die als gerade noch auskömmlich gilt, ging es stetig weiter bergab. Experten halten sogar einen Preis von nur 20 Cent je Liter nicht mehr für ausgeschlossen.

Wie Peter Jensen-Nissen sagt, gibt es vier Hauptgründe, die zusammen zu dieser dauerhaften Niedrigpreisspirale führen. So sei durch das EU-Embargo der russische Markt völlig weggebrochen. Die chinesische Wirtschaft befinde sich in der Krise, und der Konzen-trationsprozess im Lebensmittelhandel halte an. Zudem folge der Milchpreis immer dem Rohölpreis, erklärt Jensen-Nissen. Immer, wenn der sinke, wie derzeit, falle auch der Milchpreis. Wenn nur eine dieser Entwicklungen sich wieder umkehre, sehe es gleich viel besser für die Milchviehwirtschaft aus. „Doch es ist kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen“, klagt Landwirt Thomas Schröder.

So bleibe ihm und seinen Kollegen nichts anderes übrig, als von der Sub-stanz zu leben oder aufzugeben. Doch ans Aufgeben denkt der 36 Jahre alte Landwirt noch nicht. Er hat erst vor sechs Jahren den 160-Hektar-Hof am Stadtrand von Quickborn von seinem Vater übernommen und führt ihn nun in dritter Generation.

Immerhin ist Thomas Schröders Betrieb nicht allein von dem Erlös der 700.000 Liter Milch abhängig, die seine Kühe jedes Jahr geben. So verfügt der Hof über eine Biogasanlage, die mit Mais betrieben wird und jedes Jahr zwei Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Eine Fotovoltaikanlage speist weitere 40.000 Kilowattstunden ins kommunale Stromnetz ein. Zudem verfüge er über eine „Reserve“ von 40 Mastbullen, die er zum Schlachthof bringen könne, erklärt Thomas Schröder. So würden manche Kollegen immer früher allein aus Existenznot handeln und dabei ihre Tiere weit unter Wert verkaufen, sagt Schröder, der auch stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes ist.

Bauern im Kreis Pinneberg haben kaum noch Spielraum für Einsparungen

„Die Rücklagen sind längst aufgebraucht“, sagt der Landwirt. Für Einsparungen gebe es kaum noch Spielraum. Manche Kollegen würden bereits ihr Wintergetreide komplett aufbrauchen, um den ersten Ernteschnitt hinauszuzögern. Doch das verschaffe auch nur einige Wochen Luft. Getreide und Düngemittel müssten aber bald bestellt und bezahlt werden. Spätestens im Herbst, prophezeit Schröder, gerieten deshalb zahlreiche Milchviehbetriebe in Liquiditätsengpässe. Am schlimmsten dran seien jene Betriebe, die sich gerade mit neuen Kuhställen verschuldet hätten.

In dieser Situation ist Landwirt Werner Kruse aus Heede, der für seine 200 Milchkühe erst vor eineinhalb Jahren einen neuen Stall für 1,5 Millionen Euro errichten ließ. „Damals hat niemand mit dieser dauerhaften Milchpreiskrise gerechnet“, sagt Kruse. „Alle Prognosen, auch die der Bank, gingen davon aus, dass Milch gefragt ist wie noch nie.“ Stattdessen mache er jetzt jeden Monat 15.000 Euro Verlust, die er nur teilweise mit Getreideanbau und Bullenmast ausgleichen könne. Doch das dürfe keine Dauerlösung sein. Gerade erst habe ein Betrieb in Osterhorn aufgegeben. Doch das komme für ihn nicht infrage, sagt Werner Kruse. „Da muss ich jetzt durch.“ Aber die Zukunft für seinen 28 Jahre alten Sohn, der den Betrieb irgendwann übernehmen soll, sehe wohl eher düster aus.

Hilfe bekämen die betroffenen Landwirte von den Beratern des Bauernverbandes und des Beratungsringes, so Thomas Schröder. Und zum Glück zeigten die Banken in den meisten Fällen Verständnis für die Situation der Bauern. Ihnen werde mit Umschuldungen oder zusätzlichen Kreditvergaben unter die Arme gegriffen, sagt Verbandsgeschäftsführer Jensen-Nissen. „Die Banken sind in der Regel verlässliche Partner der Landwirtschaft.“

Doch den Strukturwandel, der gerade bei den Milchviehbauern immer rasanter zu werden drohe, werde auch dies kaum aufhalten können.