BND-Agenten kundschafteten auch die Scherzkultur in Ostdeutschland aus. Aber den größten Witz produzierte der Geheimdienst selber.

Der Bundesnachrichtendienst befindet sich zurzeit in einer „Transparenz-Offensive“. Nach Snowden, Spähskandalen und der Datenschutzdebatte will man „die Vertrauensbasis in die Gesellschaft verbreitern“ und sich als moderner Dienstleister zeigen. Ein Teil der Offensive ist die Foto-Ausstellung „Unheimlich – Der Bundesnachrichtendienst 1956–2016“, die zurzeit im Verlagshaus Gruner + Jahr zu sehen ist. Sie zeigt erstmals Innenansichten des BND-Hauptquartiers in Pullach: Büros, Labors, Funkräume, sogar den Dienstplan der Diensthunde.

Wer die Bilder sieht, fühlt sich in eine Behörde mit dem Möbelcharme der 70er und in die Zeiten des Kalten Kriegs versetzt. Von operativen Vorgängen zeigen die Bilder nichts. Aber zu den putzigsten Geheimaktionen des Kalten Kriegs gehörte die „Operation DDR-Witz“, deren Akten erst 2009 vom BND freigegeben wurden.

Bis zum Mauerfall 1989 trugen BND-Agenten jenseits des Eisernen Vorhangs konspirativ Witze über Politiker und den Alltag in der DDR zusammen, die sie dort von Kontaktpersonen oder in Kneipen aufschnappten. Das sind in den wenigsten Fällen echte Schenkelklopfer. Aber in Pullach wurden die Witze ganz ernsthaft ausgewertet und in den letzten DDR-Jahren sogar zweimal im Jahr – unter anderem zum Karnevalsbeginn – mit dem Stempel „Verschlusssache“ auch an das Bundeskanzleramt übermittelt, quasi als Stimmungsbarometer für die Lage im Arbeiter- und Bauernstaat.

Worüber lachte man in der DDR? Nach dem GAU im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl 1986 notierten die Pullacher Spürnasen Sprüche wie „Fällt der Bauer tot vom Traktor, ist in der Nähe ein Reaktor“ oder „Wie heißt die Partnerstadt von Tschernobyl? Strahlsund“. Auch über die spektakuläre Landung von Mathias Rust 1987 auf dem Roten Platz in Moskau machten sich die DDR-Bürger lustig: „Auf dem Roten Platz sollen jetzt die Kanaldeckel zugeschweißt werden. Man befürchtet, dass der Bruder von Rust mit dem U-Boot ankommt.“ Überhaupt guckte man gern mit Häme auf den großen Bruder: „Gorbatschow fliegt mit einem Gast über Moskau. Der Gast zeigt nach unten: Schauen Sie, die vielen Menschen dort mit Ferngläsern! Gorbatschow: Das sind keine Ferngläser, sondern Wodkaflaschen.“

Ein Dauerbrenner waren Witze über die schlechte Versorgungslage in der DDR. „Treffen sich zwei Männer auf dem Alexanderplatz. Fragt der eine: Was willst du denn mit dem Sarg? Der andere: Ach, den hab ich gekauft, weil es gerade welche gab.“ Oder: „Warum ist die Banane krumm? Weil sie um die DDR einen Bogen machen muss.“ Volkspolizisten waren beliebte Witzfiguren. „Warum haben VoPos stets einen Hund dabei? Damit wenigstens einer eine Ausbildung hat.“

Erich Honecker, der als Generalsekretär des DDR-Zentralkomitees immerhin 18 Jahre lang an der Macht war, hatte spätestens in den 80er-Jahren seine Glaubwürdigkeit verloren. „Honecker fragt einen jungen DDR-Bürger: Wer ist deine Mutter? ,Die DDR!‘ Wer ist dein Vater? ,Honecker!‘ Was willst du mal werden? ,Vollwaise!‘“. Auch das Durchschnittsalter des Politbüros geriet in die Lachsalvenspirale: „Was ist das: Es hat acht Zähne und 52 Beine? Das Politbüro!“

Die DDR-Führung nahm politische Witze zumindest in den 50er- und 60er-Jahren sehr ernst. „Den feinen Unterschied zwischen sachlich-kritischen und aggressiv-antikommunistischen Witzen machte sie nicht“, schreiben Hans-Hermann Hertle und Hans-Wilhelm Saure in ihrem neuen Büchlein „Ausgelacht – DDR-Witze aus den Geheimakten des BND“ (Ch. Links Verlag). Politische Witze galten insgesamt als „staatsfeindliche Hetze“, für die DDR-Bürger in den Bau wanderten. Das galt vor allem in den 50er- und 60er-Jahren. Später beließ man es eher bei Verwarnungen und „Gesprächen“.

In der Endphase der DDR halfen dem BND die Witz-Analysen aber auch nicht weiter. Im Herbst 1989 unterschätzte der Dienst den wachsenden Volkszorn trotz Montagsdemonstrationen und traute ausgerechnet Honecker zu, Reformen zu entwickeln. Die Reise-Lockerungen, die Günter Schabowski auf der berühmten Pressekonferenz am 9. November 1989 verkündete, zeigten laut BND „die Ernsthaftigkeit des Reformwillens“. Dass sie das Ende des ganzen Regimes einläuteten, hat der BND schlicht verpennt. Das war eigentlich final der größte DDR-Witz.