Der Parlamentsalltag – für die AfD die brutale Bewährungsprobe

Versuchen wir mal Hellsehen: Kurz vor dem Abendbrot morgen wird dieses Land ein anderes sein. Bestürzte Menschen bringen armageddonhafte Satzfetzen hervor wie „wehrhafte Demokratie“ und „zusammenstehen“ und „nicht zulassen“. Vertreter der etablierten Parteien werden „Bestürzung“ (Peter Tauber) vermelden, „Fassungslosigkeit“ (Sigmar Gabriel) und „Traurigkeit“ (Claudia Roth). Dabei wird nichts Überraschendes geschehen.

Erstens: Die AfD wird bei drei Landtagswahlen zweistellig abschneiden. Zweitens: In Sachsen-Anhalt wird die neue Partei deutlich vor, in Baden-Württemberg dicht bei der SPD landen, in Rheinland-Pfalz vor den Grünen. Drittens: Durch die neue Partei wird es für die bisherigen Zweier-Koalitionen kaum reichen, weshalb alle drei Ministerpräsidenten nur im Amt bleiben, wenn sie eine Minderheitsregierung eingehen oder neue Partner finden.

Weil die Bürger in Umfragen nicht immer zugeben, dass sie komisch wählen, werden die Werte höher ausfallen als prognostiziert. Überraschung? Nein. In Baden-Württemberg errang die NPD 1968 knapp 10 Prozent, die DVU 1998 in Sachsen-Anhalt fast 13 Prozent. Putzig, wie Politik und Kommentarbranche die alten Stücke in einmütiger Volkstheaterhaftigkeit wie Uraufführungen spielen. Erst werden die Neuen aufgebaut durch Dämonisieren, Ignorieren, Herabsetzen, Ausladen. Dann werden Themen geborgt und Forderungen erfüllt, halt nur ein Jahr später. Die AfD lebt vom Opfer- und Besserwisser-Mythos. Beide wurden reichlich bedient. So war es schon bei Linken, Rechten, Grünen. Mit Betroffenheitsfinale am Wahlabend.

Und jetzt? Ist der außerparlamentarische Quengelspuk endlich vorbei. Der Hochmut der Neuen trifft auf tückische Gegner wie Posten, Diäten, Akten, Rednerpulte. Da hilft kein forscher Facebook-Post. Der Parlamentsalltag ist die brutalste Bewährungsprobe der Demokratie. Die Protokolle werden erleichterte Heiterkeit vermelden.