Die Tindersticks präsentieren ihr wundervolles zehntes Album auf Kampnagel

Die schönsten, wundervollsten aller Lieder lassen sich immer noch steigern. Zumindest bei den Tindersticks. Etliche haben sie in den 20 Jahren ihrer Karriere ja bereits verfasst. Mit „The Waiting Room“ beehren sie die Popgemeinde nach Ausflügen in Filmmusiken und Live-Mitschnitte erneut mit einem äußerst gelungenen zehnten regulären Album. Die schon lange für die Band prägende Verbindung aus Film und Musik findet hier zu voller Blüte.

Am 14. März präsentiert das Quintett aus Nottingham um Sänger Stuart A. Staples das neue Werk auf Kampnagel. Es ist zugleich Resultat einer Jury-Mitgliedschaft Staples’ beim Kurzfilm Festival von Clermont Ferrand 2012. Mehrere Regisseure, darunter Claire Denis, haben eine Art szenischen Raum für die Tindersticks-Songs geschaffen. Die Ergebnisse werden leider nur bei ausgewählten Tour-Terminen vorgeführt. Die Hamburger müssen mit der Musik vorliebnehmen, aber die steht schließlich auch gut für sich allein.

Auf „The Waiting Room“ sind die Arrangements so jazzig wie nie zuvor. Ausgefeilte Bläsersätze, rumpelnde Perkussion. Staples singt immer noch wie ein geprügelter Hund, aber teilweise so exaltiert und experimentierlustig, wie David Byrne zu Beginn seiner Solojahre. Die Songs bleiben warme, weiche Mäntel, in die man sich schön einkuscheln kann. Ob er den „Second Chance Man“ besingt, dem man natürlich eine Chance geben sollte. Oder auf „Were We Once Lovers?“ das Offensichtliche zu flirrenden Gitarrenläufen bezweifelt, gipfelnd in der Frage: „Haben wir wirklich unser Leben miteinander verbracht?“

Das ist der desillusionierte Humor, aus dem diese Lieder seit jeher schöpfen, die noch immer so liebenswert nach urbaner Einsamkeit, kaltem Rauch, nachtblauer Stunde und vielen Gläsern Rotwein duften. Staples ist der Zärtlichste aller Pop-Melancholiker mit seinen akkurat gesäbelten Koteletten, perfektem, immer ein wenig altmodischen Dandy-Outfit. Ein Nostalgiker ist er deswegen noch lange nicht. Auf „We Are Dreamers!“ etwa teilt er sich seinen jaulenden Gesang mit Jenny Beth, Sängerin der derzeit angesagten Punk-Formation Savages. Folkjazz trifft auf Punkstimme. Aber bei dieser zeitlosen Band fügt sich alles kunstvoll zusammen. Zu einem reinigenden Bad in Pathos und Pop. Eine Einladung zum Träumen, die man nicht ausschlagen sollte.

Tindersticks Mo 14.1., 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten zu 34,- im Vvk. unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de