NUUK.

Müssen wir uns von einem Weltklima, wie wir es einmal kannten, verabschieden? Grönland, das stand stets für tiefste Kälte und ewiges Eis, für Schnee in Massen. Doch davon ist in diesem Winter auf der Insel am Polarkreis wenig zu spüren. Acht Grad Celsius misst die Hauptstadt Nuuk. Über Null. Die einwöchigen arktischen Winterspiele, die am Sonntag beginnen, sind gefährdet. Der Grund mutet für diesen Ort absurd an: Es gibt nicht genug Schnee. „Nicht einmal in meinen wildesten Fantasien habe ich mir vorstellen können, dass Schnee unser größtes Problem werden könnte. Sturmwetter, ja – aber Schnee, nein“, sagt Spieledirektorin Maliina Abelsen.

Im Winter ist es normalerweise kalt, es liegen Eis und Schnee

Normalerweise ist die Winterzeit auf der größten Insel der Welt von tiefer Kälte und tonnenweise Eis und Schnee geprägt. Das abgelegene autonome Land des Königreichs Dänemark im Nordatlantik hatte stets Logistikprobleme. Um ein Haus oder eine Straße zu bauen oder einen Supermarkt mit den notwendigen Lebensmitteln zu füllen, muss nahezu alles aus dem weitab liegenden Mutterland Dänemark eingeschifft werden. Durch die vielen Stürme müssen Flüge häufig verschoben oder eingestellt werden. Die Bevölkerung im Westen der Insel ist arm. Es fehlt an vielem. Doch ausgerechnet Schnee und Eis als Mangelware, das gab es bisher nicht. Die rund 1600 angemeldeten Arktissportler bangen.

An den Arctic Winter Games nehmen hauptsächlich Grönländer teil – die Insel, die sechsmal so groß ist wie Deutschland, hat nur rund 56.000 Einwohner –, aber es kommen auch Sportler aus Kanada, Alaska, Russland, Norwegen, Finnland und Schweden. Der Fjord in Nuuk, wo die Spiele stattfinden, ist eisfrei. Die Felder ringsherum sind eher braun als weiß. Schwierig, so ein Hundeschlittenrennen stattfinden zu lassen. Auch die Disziplinen Snowboard, Skilanglauf und Biathlon sind gefährdet. Schon im Januar lagen die Temperaturen teils bei plus zehn Grad.

Die Organisatoren haben nun Schneekanonen einfliegen lassen. Die sind im Dauereinsatz, um die Umgebung von Nuuk mit Kunstschnee zu bedecken. Zudem wurde ein ungewöhnlicher Transportdienst eingerichtet: Wenn Bürger größere Schneehaufen entdecken, können sie eine spezielle Telefonnummer anrufen. Dann kommen Lastwagen von Privatunternehmern, sammeln den Schnee ein und bringen ihn zu den Austragungsorten. „Ganz Nuuk widmet sich derzeit solidarisch der Aufgabe, die Spiele zu retten. Man sammelt sämtlichen Schnee ein, den man finden kann. Auch die Privatwirtschaft zeigt sich da von ihrer besten Seite“, lobt Abelsen.

Die linke Ex-Finanzministerin des wirtschaftlich kriselnden Landes ist eine Pragmatikerin. So wurde die Langlaufbahn von acht auf vier Kilometer verkürzt. Die Sportler müssen dann eben häufiger wenden, erklärt sie. Die Eishockeyspiele finden ohnehin im benachbarten Kanada statt. Von Grönland ist das kein allzu weiter Weg. „Wir bezahlen lieber zwei Millionen Kronen für die Flugtickets der Athleten hin und zurück, als 40 Millionen für ein neues Eishockeystadion in Nuuk“, rechnet sie vor.

Die Erderwärmung wird unterdessen immer sichtbarer auf Grönland. „Unsere Eisberge im Wasser sind nur noch halb so hoch wie vor 50 Jahren“, sagte ein pensionierter Fischer schon vor wenigen Jahren bei einer Bootsrundfahrt vor Ilulissat. Würde Grönlands Eis komplett schmelzen, dann würde das den Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen lassen.

Das Eis im Inland der Insel schmilzt immer schneller

Sogar das Inlandeis ist inzwischen massiv in Gefahr, ergibt eine neue Studie der Universität Kopenhagen. Es schmilzt immer schneller. Hinzu kommt, dass sich auf Grönland ein riesiger Schmelzkanal vom Inlandeis zum Meer gebildet hat. Forscher Kristian Kjeldsen: „Der nordostgrönländische Strom reicht etwa 700 Kilometer hinein ins Festland und berührt etwa 17 Prozent des gesamten Inlandseises Grönlands. Wenn die Schmelze dort an Fahrt zunimmt, kann schnell viel Inlandeis wegbluten.“