Moskau .

Nackt bis auf die rote Schnur eines Bikiniunterteils und eine Taucherbrille, räkelt sich eine junge Schönheit auf dem Vorderdeck einer Jacht. Andere russische Teenager zücken Goldkettchen, teure Uhren und stapelweise Visa-Karten. Eine Limousine rollt durch Moskau, Rap dröhnt, ein Mädchen kichert, ein Jüngling wirft einen 5000-Rubel-Schein nach dem anderen aus dem Autofenster. So ein Schein ist umgerechnet 60 Euro wert, aber größere Rubelscheine werden nicht gedruckt.

Auf Instagram gibt es eine neue Kultadresse: Rich Russian Kids. Kurz RRK. Sie zeigt Fotos und Videos, auf der die reichen russischen Kids im Luxus schwelgen. 160.000 Abonnenten soll die Seite inzwischen haben.

RRK unterscheidet sich nur wenig von Rich Kids of Instagram, wo sich westlicher Millionärsnachwuchs vor Privatjets, auf Ferrari-Sitzen oder mit 100.000-Pfund-Rechnungen spreizen. Wirtschaftskrise hin, Kalter Krieg gegen den Westen her, die Nachwuchselite Russlands eifert weiter dem Konsumstil des angloamerikanischen Geldadels nach. Und verbringt offenbar nach wie vor einen Großteil ihrer Zeit im Ausland.

Aber während reiche US-Kids auf Instagram gern für Stilbrüche sorgen, zum Katerfrühstück mit ihrem Champagner auch mal im McDonald’s aufkreuzen, ist bei den RRK von Ironie wenig zu spüren. Höchstens bei vertraulichen Unterschriften zu den Selfies mit Präsident Wladimir Putin oder Außenminister Sergei Lawrow: „Onkel Wolodja“ und „Onkel Serjoscha“.

Umso mehr beeindruckt der Alkoholkonsum der jungen Reichen. Ob auf der Skipiste, im nächtlichen Swimmingpool oder vor dem neuen Mercedes-Jeep, sie halten Champagnerflaschen an den Mund wie Kleinkinder ihre Nuckelfläschchen. Tatsächlich fallen die Geldkids im In- und Ausland oft bei schweren Verkehrsunfällen oder Partyschlägereien auf.

Wenn die Eltern Milliardäre sind, läuft es auch mit der Karriere

Oksana Robski aber, selbst Millionärsgattin und Autorin mehrerer Bestseller über das Leben der russischen Superreichen, schwärmt: „Diese Kinder sind so wunderbar. Sie könnten Russlands neuer Adel werden.“

Auch die Soziologin Olga Kryschtanowskaja redet von einer neuen Aristokratie. Die Abkömmlinge der russischen Wirtschafts- und Beamtenoligarchie starten ihr Berufsleben bereits im Chefsessel. Etwa Iwan Setschin, Sohn von Igor Setschin, dem Boss des staatlichen Ölkonzerns Rosneft. Er wurde laut Radio Swoboda mit 24 schon stellvertretender Leiter einer Rosneft-Abteilung. Oder Igor Sergei, Sohn des gleichnamigen Leiters der russischen Präsidialadministration und mit 35 Chef der staatlichen Gazprombank. Sein Bruder Alexander, der 2005 eine Moskauer Rentnerin totgefahren hatte, war Vizedirektor der ebenfalls staatlichen Wneschtorgbank, als er 2014 beim Baden in Dubai ertrank.

Der Oppositionspolitiker Alexei Nawalny beklagt bereits Neofeudalismus. Tatsächlich müssen Russlands reiche Kids sich beim Karrieremachen kaum mit Konkurrenz herumschlagen. Wo doch, da klemmt die Laufbahn schnell, selbst wenn der Papa Milliardär und Putin-Intimus ist. So wird der Fußballprofi Boris Rosenberg in Russland von einem Klub zum anderen verschoben, niemand will ihn haben, auch bei Dynamo Moskau, einem Klub, der dem eigenen Vater gehört, kam er in einer Saison nur ganze 22 Minuten zum Einsatz.

Aber die Masse der goldenen Jugend betrachtet auch Sport nur als Pause im süßen Leben. Da kauert ein Bursche an einer nächtlichen Tankstelle auf der Kühlerhaube eines schwarz gestrichenen Tiger-Armeejeeps. „Die Klubpatrouille fährt heute mit Importersatz zur Jagd.“

Es folgt ein Foto, auf dem dasselbe russische Gegenstück zum US-Hummer mit dem Vorderrad hoffnungslos in einem Kanalisationsgraben klemmt. RRK-Kommentar: „Nur Reiche Russische Kids können das.“ Auch die jungen Protzer haben ihren Humor.

Die Schere von Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Die 200 reichsten Russen besitzen insgesamt ein Vermögen von 73 Milliarden Dollar. In Russland gibt es 84.000 Dollarmillionäre. 93,7 Prozent der Russen haben jedoch ein Jahreseinkommen von weniger als 10.000 Dollar. Weltweit liegt diese Zahl bei weniger als 70 Prozent.

Allein von 2005 bis 2010 stieg die Zahl der russischen Milliardäre um mehr als 100 Prozent. Laut Experten hängt dies mit einem sehr hohen staatlichen Schutz der Interessen von Großunternehmen zusammen.