Das Schöne an den Filmen von Michael Moore war immer schon, dass man nicht seiner Meinung sein musste, um sich prächtig zu amüsieren. Moore dreht weniger Dokumentarfilme als vielmehr polemische Traktate, die sich mit Missständen in den USA ausein­andersetzen.

Wenn er nun etwa in „Where To Invade Next“ an einer Stelle das Argument ins Feld führt, dass es in genau zwei Ländern auf der Welt keine gesetzliche Regelung für den Mutterschaftsurlaub gebe, nämlich in Papua-Neuguinea und – kleine rhetorische Pause – in den USA, dann kann man ihn einerseits für das präzise Timing dieses Gags bewundern. Andererseits schüttelt man innerlich unwillkürlich den Kopf über die sozialpolitische Rückständigkeit Amerikas.

Überhaupt hat Moore einmal mehr eine Fülle von herrlichen Anekdoten zusammengetragen, die diesmal für den europäischen Zuschauer einen besonderen Reiz besitzen: Handeln sie doch alle von gesellschaftlichen Regelungen und Traditionen, um die uns Moore beneidet und die er für sein Heimatland reklamieren möchte. Etwa Portugals Drogenpolitik, die User unbestraft lässt und damit die Szene entkriminalisiert. Oder Finnlands Schulsystem, bei dem die Pädagogen viel Wert darauf legen, dass Kindern genug Zeit zum Spielen bleibt. Oder Norwegens Gefängnisverwaltung, in der Insassen als Menschen behandelt werden. Oder Deutschlands betriebliches Mitbestimmungsmodell – und sein Umgang mit der Nazi-Vergangenheit.

Es verwundert nicht, dass „Where To Invade Next“ an der amerikanischen Kinokasse kein Erfolg war. Aber so schmeichelhaft Moores neuer Film für Europäer auch sein mag, hält er doch für unsereins Überraschungen bereit. Wer würde etwa nach Tunesien schauen, um ein Vorbild in Sachen Frauenemanzipation zu finden? Der Film ist eine Einladung zu Weltoffenheit und Sympathie, ein Appell fürs interessierte Hinschauen und Lernen von den Nachbarn, genau das, was Europa nottäte.

„Where To Invade Next“ USA 2015, 110 Min., ab 12 J., R/D: M. Moore, tägl im Abaton, Passage, UCI Mundsburg; www.falcom.ch/where-to-invade-next