Bad Oldesloe. Der Kinderschutzbund Storman bildet ehrenamtliche Begleiterinnen aus, die Eltern im ersten Jahr nach der Geburt zur Seite stehen.

Manager von großen Unternehmen tragen viel Verantwortung. Ebenso Piloten, die täglich Hunderte von Passagieren sicher befördern müssen. Gehirnchirurgen dürfen während ihrer Arbeit keine Sekunde lang unaufmerksam sein. Und Politiker stehen stets unter dem Druck, zukunftsweisende Entscheidungen zum Wohl der Bürger treffen zu müssen.

Jede dieser Aufgaben ist an sich schon eine Herausforderung. Doch es gibt einen Job, der all das – nämlich Verantwortung tragen, Sicherheit geben, Aufmerksamkeit schenken und Fürsorge gewährleisten – als Gesamtpaket voraussetzt: Eltern sein.

Im Vergleich zu den Ausbildungsberufen sind weder Lehre noch Studium Bedingung zum Kinderkriegen. Manchmal kommt der Nachwuchs zu früh, ungeplant oder er braucht unerwartet viel Betreuung. Doch selbst das ruhigste Baby bringt das Leben der Eltern komplett durcheinander. Sei es auch nur vor Glück.

„Wenn sich der Alltag nach der Geburt grundlegend ändert, kommen viele Menschen schnell an ihre Grenzen“, sagt Renate Günther. Die Diplom-Sozialpädagogin arbeitet seit 1997 für den Kreisverband Stormarn des Deutschen Kinderschutzbunds (DKSB). Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder und Familien zu entlasten und zu fördern, bevor sie in Krisen geraten.

Beim Kennenlern-Treffen prüfen beide Seiten, ob „der Funke überspringt“

Zusätzlich zur Leitung des Kinderhauses Blauer Elefant in Bad Oldesloe verantwortet Renate Günther seit 2006 den Arbeitsbereich „Frühe Hilfen“. Dazu zählen neben der Unterstützung durch Hebammen auch die sogenannten Familienpaten. 71 Frauen hat der Kinderschutzbund Stormarn seit Bestehen der Patenschaften ausgebildet. Anfang des Jahres haben neun weitere Patinnen ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen.

Zu den Aufgaben der Ehrenämtler gehören wöchentliche, fest vereinbarte Besuche bei einer Familie, die beim Kinderschutzbund um Unterstützung gebeten hat. Und das im Regelfall während des gesamten ersten Lebensjahres des Kindes. Ob gemeinsame Spaziergänge oder Babysitten, während die Eltern Arztbesuche machen oder sich endlich einmal zwei Stunden ungestörten Schlaf gönnen – die für die Familie kostenlosen Hilfen sind so vielfältig wie die Menschen selbst.

Ariane Schumann mit Tochter Heika, dem jüngsten ihrer fünf Kinder. Die 40-Jährige freut sich über die
Ariane Schumann mit Tochter Heika, dem jüngsten ihrer fünf Kinder. Die 40-Jährige freut sich über die © HA | Verena Künstner

Welche Patin in welche Familie kommt, entscheidet Renate Günthers Kinderschutzbund-Kollegin Heike Hellbig in Bargteheide. „Bei ihr laufen die Anfragen der Eltern ein“, so Günther. „Sie prüft, wer am besten zusammenpasst.“ Dazu zählen Kriterien wie Wohnortnähe und übereinstimmende Wunsch-Besuchszeiten. Das Wichtigste sei aber, dass beim ersten Kennenlernen zwischen Pate und Familie „der Funke überspringt“.

Genau das ist bei Ariane Schumann (Name auf eigenen Wunsch von der Redaktion geändert) vor rund drei Jahren passiert. Die damals 37-Jährige hatte gerade ihren Sohn Joris geboren. Nach Frithjof, Henner und Anike war er das vierte gemeinsame Kind mit Ehemann Torben. „Joris war, wie die anderen auch, ein absolutes Wunschkind“, so Ariane Schumann, die selbst mit vier Geschwistern aufgewachsen ist.

„Bei der Erziehung ist uns vor allem wichtig, jedem einzelnen gerecht werden zu können.“ Bei vier Kindern im Alter zwischen einem Monat und vier Jahren eine Mammutaufgabe. Vor allem, wenn die Großeltern nicht hin und wieder als Babysitter einspringen können. „Unsere Eltern leben zu weit von uns entfernt. Das war also keine Option“, so Ariane Schumann.

Seit dem Projektstart vor zehn Jahren wurden 250 Elternpaare betreut

Die junge Mutter, die mit ihrer Familie vor fünf Jahren nach Bad Oldesloe gezogen ist, hörte sich um. Eine Freundin erzählte ihr von dem Angebot der Familienpaten des Kinderschutzbunds. „Die Idee gefiel mir, und ich habe sofort dort angerufen.“ Kurze Zeit später kam Heike Hellbig vom DKSB zum Kennenlerngespräch vorbei. Mit dabei: die Oldesloerin Heinke Klippel. Die damals 62 Jahre alte Lehrerin hatte nach ihrer Pensionierung gerade die Ausbildung zur Patin abgeschlossen. Die Schumanns sollten „ihre“ Familie werden.

Heinke Klippel erinnert sich noch genau: „Die kleine Anike hat mich ganz lieb begrüßt, und Baby Joris wollte gleich auf meinen Arm.“ Auch für Mutter Ariane stand schnell fest, dass die Frau mit dem herzlichen Lachen genau die Richtige ist. „Da war sofort ein Gefühl der Vertrautheit zwischen uns“, sagt sie. „In den folgenden Wochen ging ich mit den drei Großen zum Kinderturnen, während Heinke auf Joris aufgepasst hat.“

„Immer mehr Elternhaben keine Scheu davor, um Unterstützung zu bitten.“
„Immer mehr Elternhaben keine Scheu davor, um Unterstützung zu bitten.“ © HA | Verena Künstner

Neben Zeit und Entlastung schenke ihr die Familienpatin auch das gute Gefühl, dass da jemand ist, mit dem sie über alles reden könne. Mittlerweile hat sich aus der Patenschaft eine Freundschaft entwickelt. Die beiden Frauen sehen sich häufiger, als es der Besuchsplan vorsah. Und immer noch ist Heinke Klippel für die Kinder der Schumanns da. Inzwischen sind es fünf: Vor etwas über einem Jahr kam Heika zur Welt.

„Es ist wichtig, dass uns Paten immer bewusst ist, dass wir Gast in einer Familie sind“, sagt Heinke Klippel. „Wir reden nicht in die Erziehung rein oder geben ungefragt Ratschläge.“ Werde man jedoch gefragt, sei man selbstverständlich gern dazu bereit, einen Tipp zu geben.

Renate Günther vom Deutschen Kinderschutzbund freut sich über 250 gelungene Familien-Patenschaften seit dem Projektstart im Jahr 2006. Die Anfragen von Familien steigen jährlich. „Ein gutes Zeichen“, sagt die Sozialpädagogin. „Denn es bedeutet, dass immer mehr Eltern keine Scheu davor haben, um Unterstützung zu bitten.“

Oft spiele falscher Stolz eine Rolle, wenn Mütter und Väter es „allein schaffen wollen“. Doch Überlastung und Hilflosigkeit führen schlimmstenfalls zu einem Klima, in dem Gewalt entstehen kann. „Kinder davor zu schützen ist unser erstes Ziel“, sagt Günther. Je entspannter es in einer Familie zugehe, desto eher wachse das Vertrauen der Kinder in sich selbst. Renate Günther: „Das ist die Voraussetzung für einen guten Start ins Leben.“

Infos gibt’s im Kinderhaus

Die Ausbildung zur Familienpatin beim Kinderschutzbund ist kostenlos. Informationen gibt es bei Heike Hellbig im Bargteheider Kinderhaus Blauer Elefant (Alte Landstraße 53) und unter Telefon 04532/51 70.
Familien mit Neugeborenen,
die Unterstützung wünschen, können sich ebenfalls dort melden.