Berlin.

Die Annahme geistert seit Jahren durch Medien und Internetforen: Hersteller bauen in Produkte bewusst Schwachstellen ein, damit sie schneller kaputtgehen. Die Fachsprache nennt das „geplante Obsoleszenz“. Die Industrie sei dabei Täter, um Absatz und Gewinn zu steigern, der Verbraucher sei das Opfer. Grundsätzlich bezeichnet Obsoleszenz die Alterung eines Produkts und seine dadurch resultierende Unbrauchbarkeit.

Eine am Montag vorgestellte Studie von Öko-Institut und dem Institut für Landtechnik der Universität Bonn im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) konnte für diese These keine Beweise liefern. Fakt aber sei: Verbraucher nutzen Elektro- und Elektronikgeräte heutzutage kürzer als noch zur Jahrtausendwende. Das wiederum habe mehrere Gründe: defekte Produkte, veraltete Technik, hohe Reparaturkosten und der Wunsch von Konsumenten, stets ein Gerät der neuesten Generation zu besitzen. Für die Untersuchung werteten die Autoren Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), von Stiftung Warentest, Erfahrungsberichte auf Internetportalen, Ergebnisse einer Onlinebefragung sowie Zahlen der Abfallwirtschaft aus.

Nutzung: So lange wie nötig,
aber dabei so kurz wie möglich

Die Lebensdauer von Produkten ist der Studie zufolge durchaus planbar. „Hersteller und Verbraucher interagieren hier miteinander“, sagen die Autoren. Das Kernprinzip der Industrie laute deshalb: Produkte so gestalten, dass sie nicht so lange wie möglich, sondern so lange wie nötig halten. Idealerweise passten Lebens- und Nutzungsdauer punktgenau zusammen. Die Auswertung von Daten über Kühlschränke, Waschmaschinen, Haushaltsmixer, Fernseher, Notebooks oder Mobiltelefone im Zeitraum 2004 bis 2012 ergab ein differenziertes Bild, nach wie vielen Jahren und aus welchen Gründen Verbraucher Produkte austauschten. Dabei stellten Öko-Institut und die Universität Bonn zwei Dinge fest: Insgesamt ging die Nutzungsdauer aller Geräte leicht zurück. Und: Der Anteil der Waschmaschinen, die wegen eines Defektes schon innerhalb der ersten fünf Jahre ersetzt werden mussten, war zwischen 2004 und 2012 von 3,5 auf 8,3 Prozent gestiegen. Andererseits tauschten Verbraucher vermehrt auch funktionierende Geräte aus, vor allem Smartphones und Fernseher. Im Jahr 2012 wurden mehr als 60 Prozent der Flachbildfernseher ersetzt, obwohl diese nicht defekt waren. Der Wunsch nach einem besseren Gerät war dafür entscheidend. Darüber hinaus gaben 68 Prozent der Deutschen an, innerhalb von drei Jahren ihr Smartphone zu wechseln. Das sei eine grundsätzliche Entscheidung, die nichts mit der Funktionsfähigkeit zu tun habe.

Was hält wie lange?
Daten der Gesellschaft für Konsumforschung sagen: Die Dauer der durchschnittlichen Nutzung neuer Haushaltsgroßgeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen sank in Deutschland zwischen 2004 und 2012/13 von 14,1 auf 13 Jahre. Der Anteil der Geräte, die wegen eines Defekts ausgetauscht wurden, lag 2012 bei 55,6 Prozent (2004: 57,6). Eine Verbraucherbefragung der Universität Bonn zeigte in 2013/14, dass die von den Teilnehmern entsorgten Waschmaschinen im Mittel 11,6 Jahre alt waren, in sieben von zehn Fällen seien sie kaputt gewesen. Im Bereich der Unterhaltungselektronik wurden TV-Flachbildschirme laut GfK-Daten im Jahr 2007 im Schnitt 5,7 Jahre benutzt. In den Jahren bis 2010 sank der Wert auf 4,4 Jahre, um bis 2012 wieder leicht anzusteigen. Elektrische Handmixer hatten 2012 eine Nutzungsdauer von elf Jahren (minus 1,2), Wasserkocher laut Uni Bonn von 5,7.
Auf Kosten der Umwelt?

Die Studienautoren haben kurz- und langlebige Produkte daraufhin verglichen, wie sehr sie die Umwelt belasten und welche Kosten dem Konsumenten entstehen. Im Punkt Umweltbelastung schneiden in allen untersuchten Produktgruppen die langlebigen Geräte besser ab, etwa beim Energieaufwand oder beim Treibhauspotenzial. So verursacht eine langlebigere Waschmaschine 700 Kilogramm bis eine Tonne weniger Kohlendioxid als eine kurzlebige, ein langlebiges Notebook 300 Kilogramm weniger und ein langlebiges Fernsehgerät 600 Kilogramm weniger Treibhausgasemissionen als die kurzlebigen Varianten. Und das trotz der Effizienzsteigerung der neuen Geräte und dem höheren Herstellungsaufwand langlebiger Geräte. Auch die Reparatur oder Nachrüstung des langlebigen Geräts mit Ersatzteilen wurden miteinbezogen. So seien etwa der Energieaufwand und das Treibhauspotenzial einer kurzlebigen Waschmaschine mit einer Lebensdauer von fünf Jahren circa 40 Prozent höher im Vergleich zu der 20-jährigen Maschine. Bei Fernsehgeräten liegt der Unterschied von kurz- zu langlebigem Produkt (5,6 Jahre zu 10 Jahren) bei 28 Prozent mehr Energieaufwand und 25 Prozent höherem Treibhauspotenzial. Kurzlebige Notebooks (3 Jahre Lebensdauer) haben einen 25 Prozent höheren Energieaufwand und 36 Prozent höheres Treibhauspotenzial als langlebige (6 Jahre).

Aus ökonomischer Sicht gewinnen jedoch häufig die kurzlebigen Geräte – vorausgesetzt, die langlebigen Geräte müssen im Laufe ihrer Nutzungsdauer repariert werden. Denn hohe Reparaturkosten bei Defekten und eine geringere Energieeffizienz älterer Geräte machten sich bei den Kosten bemerkbar. Beispiel Notebook: Zwar lassen sich verglichen mit einem kurzlebigen Notebook mit dem Kauf eines langlebigen Geräts, das nicht repariert werden muss, pro Gerät circa 196 Euro in zwölf Jahren sparen. Bei einem reparaturbedürftigen langlebigen Notebook fallen jedoch in zwölf Jahren etwa 261 Euro Mehrkosten an als bei der kurzlebigen Variante.

Das fordert die Studie

Eine Gesellschaft, die Produkte länger nutzt, „kann die Umweltauswirkungen unseres Konsums reduzieren“, sagen die Studienautoren. Sie fordern ein Umdenken bei Herstellern und Politikern.

Konkret empfehlen sie, Mindesthaltbarkeitsdaten für Produkte sowie anfällige Bauteile festzulegen. Verschleißteile, Wartungsintervalle und Kosten für mögliche Reparaturen sollten deutlicher gekennzeichnet sein. Darüber hinaus könnten auch innovative Servicemodelle der Hersteller – etwa Rückkaufvereinbarungen oder Nachsorge – sowie verpflichtende Mindestanforderungen an die Software dazu beitragen, die technische Produktlebensdauer in der Praxis zu erreichen.

Generell fordern die Autoren eine deutlich bessere Reparaturfähigkeit von Produkten. Dazu gehöre, Reparaturbetriebe zu stärken, die vom Hersteller unabhängig seien. Auch die Verbraucher nehmen die Autoren in die Pflicht: Die Konsumenten sollten beim Kauf wenn möglich Wert legen auf die Langlebigkeit eines Produktes – „um so ihren Beitrag zum Ressourcenschutz zu leisten“.