Canelloni mit Lachsfüllung, Tortellini in Gorgonzola, Tiramisu: Im Eppendorfer Piazza kann man eine große Auswahl an selbst zubereiteten Gerichten genießen oder bestellen. In den hinteren Räumen aber findet man eine schöne Sammlung von Handtüchern, Gläsern, Kerzen und Antiquitäten.

Ganz in der Ecke, hinter einem Regal, entdeckte ich sie: drei kleine Könige aus Blech, grün, blau und orange bemalt. Trotz ihrer Kronen schauten sie etwas bedürftig und suchend drein. Ich kaufte sie und nahm sie mit nach Hause. Da standen sie auf dem Wohnzimmertisch und schienen sich in der neuen Umgebung sehr wohlzufühlen. Als ich Wochen später noch einmal in den Laden kam, sprach mich die Inhaberin an: „Sie mochten doch unsere Könige gern? Wir haben hier noch einen, den können wir nicht verkaufen. Schau’n Sie mal.“

Nein, diesen blassgrünen König konnte man wirklich nicht mehr verkaufen. Die Farbe in Krone, Gesicht und Mantel war so abgeblättert, dass er erbärmlich aussah, fast erbarmungswürdig. „Den wollten wir Ihnen schenken“, sagte sie, „ich glaube, Sie haben einen Sinn dafür.“ Behutsam packte sie ihn in Seidenpapier und drückte ihn mir in die Hand.

Was sollte ich mit ihm anfangen? Vier Könige sind einer zu viel, und die anderen drei stellten sich eng zusammen, als wollten sie mit ihrem abgerissenen Kollegen nichts zu tun haben.

So stand er immer etwas abseits, ein kleiner Randsiedler, verloren und traurig. „Muss ich nun auch Könige trösten?“, fragte ich mich ratlos. Hatte ich nicht schon genug Menschen in der Nachbarschaft und im Pflegeheim zu besuchen, für die ich mich verantwortlich fühlte? „Ehe du hier tatenlos herumstehst, kommst du mit“, sagte ich ihm und steckte ihn bei meinem nächsten Besuch in die Manteltasche.

Bei der kranken, alten Frau holte ich ihn heraus und erzählte ihr seine Geschichte. Sie betrachtete ihn beinahe liebevoll. „Genauso beschädigt und bedürftig wie ich“, meinte sie und lächelte. Es ergab sich ein nachdenkliches Gespräch, und am Schluss hätte sie ihn mir beinahe abgeschnackt. Das ging nun aber nicht mehr, denn jetzt war mir klar: Er sollte noch andere Besuche vor sich haben, mein kleiner einsamer König, der so angeschlagen ist, dass er auch anderen in ihrem Leid etwas zu sagen hat.
Hinrich C. G. Westphal war
Öffentlichkeitspastor
der evangelischen Kirche in Hamburg