Berlin.

Die einen schwören auf grüne Smoothies, die anderen auf Clean Eating ohne verarbeitete Lebensmittel, vegane Speisen oder die Paleo-Diät nach dem Vorbild der Steinzeit. Viele Menschen beschäftigen sich intensiv mit der Frage: Was ist das richtige Essen für mich? Doch ausgerechnet das kann krankhaft werden – wenn der Wunsch nach gesundem Essen zur Besessenheit wird. Fachleute sprechen dann von Orthorexie.

„Orthorexie ist eine Fixierung auf den Verzehr von ausschließlich gesunden Lebensmitteln“, erklärt Friederike Barthels vom Institut für experimentelle Psychologie der Universität Düsseldorf. Dabei gibt es allerdings ein Problem: „Die Definition, was gesund ist, ist individuell verschieden. Dadurch besteht die Gefahr, dass es eben nicht mehr gesund ist, sondern sehr einseitig und sehr extrem.“

„Betroffene verlieren oft die sozialen Kontakte, weil ein Restaurantbesuch mit Freunden und Familie für sie kaum noch möglich ist“, erklärt Helmut Schatz, früherer Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, die sich mit Hormonen und dem Stoffwechsel beschäftigt. Orthorexie ist dem Experten zufolge zunächst einmal eine Essbesonderheit. „Stellt sich aber ein Zwang ein und leidet der Mensch darunter, dann wird es krankhaft.“

Orthorexie hängt laut Psychologen eng mit Magersucht zusammen

Orthorexie ist derzeit kein anerkanntes Krankheitsbild. Nach Ansicht von Experten hängt sie aber eng zusammen mit der Anorexie, also Magersucht. „In beiden Fällen selektieren Betroffene ihre Ernährung sehr genau und streichen viele Lebensmittel vom Speiseplan“, erklärt Psychologin Barthels. „Es sind im Grunde verschiedene Facetten des Weglassens von Nahrung.“ Fachärztin Weber sieht darin auch ein Zeitgeist-Phänomen: „Es ist der Wunsch nach Kontrolle und Gesundheit.“

Auch aus dem jüngst veröffentlichten Werte-Index des Trendforschers Peter Wippermann geht hervor, dass Gesundheit für die Deutschen die höchste Bedeutung hat – noch vor Freiheit und Erfolg. Ein Massenphänomen ist die Essbesonderheit aber noch nicht: Bundesweit ist Orthorexie derzeit nicht weit verbreitet. In Studien neigen Barthels zufolge etwa ein bis drei Prozent der Teilnehmer zu entsprechendem Verhalten. Ein Prozent verhalte sich extrem. Vor allem jüngere Frauen seien betroffen.