Seine Brille zeigt seine Arbeits­belastung. Wenn Rudolf Kelber, Kirchenmusikdirektor der Hauptkirche St. Jacobi, die üblichen Proben, Sitzungen, Konzerten und Orgelführungen zu absolvieren hat, ist sie nur leicht verbogen. Stärker verbogen heißt, es köcheln weitere Projekte. Und wenn dazu noch eine Opernaufführung mit Live-Zeichner ansteht, bricht schon mal ein Bügel ab, dann muss Klebeband ran.

Seit 1982 mischt der quirlige Franke der Hamburger Kirchenmusik seinen Klang bei. Kelber hat die Restaurierung der weltberühmten Arp-Schnitger-Orgel mit initiiert – und aus alten Orgelpfeifen in seinem Flottbeker Garten einen Brunnen gebaut. Er komponiert und rekonstruiert und geht mit seinen Kindern – die Enkel müssen noch etwas wachsen – auf Bergtour.

Ende Dezember geht er in Rente. Um die Zukunft der Kirchenmusik ist ihm nicht bang: „Es wird auch in 50 Jahren noch Menschen geben, die unter fachkundiger Anleitung das Weihnachtsoratorium singen wollen.“

Als letzte Amtshandlung an St. Jacobi spielt er ein Silvesterkonzert auf der geliebten Schnitgerorgel. Eins ist klar: Der Mann wird weiter musizieren. Ohne Rücksicht auf seine Brille.

Seite 21 Hohe Zeit der Kirchenmusiker