Hamburg. Es geht um die Milliarden-Risiken bei der Rettung: Marnette wirft Tschentscher einen „schweren Pflichtenverstoß“ vor und stellt Strafanzeige.

Dieser Vorgang dürfte beispiellos in der jüngeren Geschichte Norddeutschlands sein: Der ehemalige schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) hat am Dienstag Strafanzeige gegen Hamburgs Finanzsenator Peter Tschen­tscher (SPD), dessen schleswig-holsteinische Amtskollegin Monika Heinold (Grüne) sowie gegen den Vorstandschef der HSH Nordbank, Constantin von Oesterreich, und den Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Mirow erstattet. Er wirft ihnen einen „schweren Pflichtenverstoß“ vor und spricht sogar vom „Verdacht einer (schweren) Untreue“. Die Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige. Nun werde geprüft, „ob strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden“.

Hintergrund sind die erneuten Rettungsmaßnahmen der beiden Bundesländer für die HSH Nordbank. Wie berichtet, sollen zwei öffentlichen Anstalten Kreditermächtigungen über insgesamt 16,2 Milliarden Euro bewilligt werden, um die HSH am Leben erhalten, sanieren und dann verkaufen zu können. Eine dieser Anstalten soll der HSH für bis zu 6,2 Milliarden Euro Not leidende Schiffskredite abkaufen. Die rot-grüne Mehrheit in der Hamburgischen Bürgerschaft hat dem bereits zugestimmt. Der Landtag in Kiel, in dem SPD, Grüne und SSW die Mehrheit stellen, soll heute nachziehen.

Marnette begründet seine Strafanzeige, die dem Abendblatt vorliegt, damit, dass die Landesregierungen und die Bankführung den Parlamenten „wesentliche Informationen nicht oder nur unvollständig zur Verfügung gestellt“ haben. Damit seien „die Voraussetzungen für eine sachgerechte Entscheidung nicht erfüllt“. Unter anderem fehle ein unabhängiger Bericht über die Lage der HSH, die Handlungsoptionen seien nicht dargelegt worden, es bleibe offen, welche Papiere die Länder ankaufen und welche Verluste daraus drohen.

Die Hamburger Finanzbehörde wies die Vorwürfe zurück: „Die Landesregierungen und ihre Berater haben die Parlamente schriftlich und mündlich so umfassend und detailliert wie möglich und nach bestem Wissen und Gewissen informiert.“ Aus dem Finanz­ministerium in Kiel hieß es, man habe „bislang offiziell keine Kenntnis über eine Strafanzeige gegen Ministerin Heinold“. Die HSH selbst wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern.

Seite 12 Der Feldzug des Werner Marnette