Ein Streit-Atlas zeigt, in welcher Region oft prozessiert wird. Hamburg im Mittelfeld, Stormarn vorn, aber die Bayern sind friedlich

Recklinghausen? Schlimm. Leipzig? Auch schlimm. Köln, das Epizentrum angeschickerten Frohsinns, wo man das, was De Höhner öffentlich von sich geben, für Musik hält? Von wegen. Berlin, die Hauptstadt der Angefressenen und Genervten, in der Präzisions-Anpflaumen Volkssport und Bürgerpflicht ist? Aber hallo. Münster, das an sich sympathische Universitätsstädtchen, in dem alle zweieinhalb Meter eine Kirche steht, um die westfälische Landbevölkerung an die Wonnen der Nächstenliebe zu erinnern? Verheerend. So weit, so wenig überraschend.

Worum es geht? Eine Versicherung hat eine Deutschlandkarte der Streithansel erstellt, auf der man sehen kann, wo die Menschen schneller nach einem Anwalt rufen, als ihr Kontrahent sein „’Schuldigung!“ stammeln kann. Besichtigen, ach was: Bestaunen kann man sie unter www.streitlotse.de. Und während Hamburg sich gütlich im Mittelfeld herumschlägt, brennt dem Stormarner, dem man das nicht zugetraut hätte, mit erstaunlicher Häufigkeit die letzte Sicherung vor der Charakter-Kernschmelze durch. Harmoniewille und Kompromissbereitschaft sind offenbar ungleich verteilte Güter.

Besonders friedfertig, man lernt ja nie aus im Leben, sind die Bayern. Man sollte also noch mal die Geburtsurkunden von Horst Seehofer und Markus Söder checken. Und besonders nah ans Gericht gebaut sind die 18- bis 35-Jährigen, die nach dem Motto „Beim ersten Mal, da macht’s echt Spaß“ seit 2002 dafür sorgten, dass sich die Quote ihrer Streitfälle fast verachtfachte.

Doch es gibt natürlich auch gute Gründe, die für frohgemutes Ausleben der Alltagsaggressionen sprechen. Das System aus Juristen, Versicherungen und Gerichten ist da, also muss es auch beschäftigt und am Laufen gehalten werden. Nachtragend sein ist schließlich auch eine Art des Gedächtnistrainings. Erst sobald das Erinnerungsvermögen schwächelt, kann man sich beim Rauchen der Friedenspfeife auf ein weises indianisches Sprichwort besinnen: „Das Kriegsbeil ist erst begraben, wenn man nicht mehr weiß, wo es liegt.“