Rom.

Sie sangen so oft vom Glück: „Felicità“, der große Ohrwurm aus dem Jahr 1982, machte Al Bano und Romina Power weltberühmt. „Glück ist eine hinterlassene Notiz im Nachttisch“, ist eine berühmte Zeile in dem Lied. Der Italiener aus Apulien und die Tochter des Schauspielers Tyrone Power aus Kalifornien waren nicht nur auf der Bühne ein Traumpaar, sondern auch im privaten Leben. Und dann passierte ihnen das Schlimmste, was Eltern passieren kann: Ihr Kind verschwand spurlos.

Ylenia Carrisi, geboren 1970, älteste von vier gemeinsamen Töchtern des Paars, war in Süd- und Nordamerika unterwegs und lebte zuletzt in New Orleans. Seit Anfang Januar 1994 wurde sie nicht mehr gesehen. Alle Suche blieb vergeblich. In den USA wurde Ylenia vermutet, in der Karibik, und sogar in Deutschland. Die Mutter wollte nie an ihren Tod glauben und trat 2011 sogar in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ auf. Nun gibt es eine neue Spur der Verschwundenen, die ein Gericht in Brindisi Ende 2014 auf Antrag des Vaters für tot erklärte.

Ylenia lebte zuletzt bei einem drogenabhängigen Straßenmusiker

Die Spur führt nach Florida. Es geht um die Identifizierung einer dort 1994 am Straßenrand gefundenen Frauenleiche. Albano Carrisi, so der bürgerliche Name des Künstlers, bestätigte diese Woche, dass die Fahnder von ihm und seinen übrigen Kindern Speichelproben nahmen, um sie zum DNA-Abgleich in die USA zu schicken. Verdächtig ist der zu mehrfach lebenslänglich verurteilte achtfache Mörder Keith Hunter Jesperson, genannt auch der „Happy Face Killer“, weil er in Briefen immer ein Smiley neben seine Unterschrift setzte.

Womöglich bringt das eine Wende in den Fall. Zeugenaussagen hatten seinerzeit nichts zur Klärung beitragen können. Ylenia lebte laut Presseberichten zuletzt in einem verkommenen Hotel in New Orleans mit einem Trompeter zusammen – Straßenmusiker, drogenabhängig und gewalttätig. Dieser bezahlte die Absteige mit Ylenias Travellerschecks, und als er zum ersten Mal vernommen wurde, fand man auch ihren Pass bei ihm. Obwohl verdächtig, verbrachte er nur wenige Tage im Gefängnis.

Andere Berichte zeichneten das romantische Bild einer weltreisenden Literaturstudentin auf der Suche nach sich selbst. Außerdem hatte sie das Tagebuch des Beat-Generation-Autoren Jack Kerouac („Unterwegs“, „Gammler, Zen und hohe Berge“) im Rucksack. Darin geht es um Wein, Drogen, Sex in Europa, Mexiko und Nordafrika, der ganz große Entdeckertraum der Jugend jener Zeit. Ein 2006 verstorbener Aquariumswärter sagte, er habe eine Ylenia ähnelnde Frau gesehen, wie sie sich in den Mississippi stürzte.

Eine Leiche wurde aber nie gefunden, und er erzählte die Geschichte auch jedes Mal anders. Später stellte sich heraus, so die römische Zeitung „Il Messaggero“, dass der Mann extrem kurzsichtig war.

Dass der Fall noch nicht endgültig zu den Akten gelegt wird, ist Ermittlern in Palm Beach in Florida zu verdanken. Sie gaben sich nicht damit zufrieden, dass die 1994 gefundene Leiche nie identifiziert wurde. Sie kamen zu dem Schluss, dass das erste Phantombild dem Opfer nicht wirklich ähnelte und ließen im Jahr 2014 ein neues anfertigen.

Keith Hunter Jesperson wurde im Jahr 1995 festgenommen. Ihm wurden acht Morde zur Last gelegt, das Urteil: dreimal lebenslange Haftstrafe. Er gestand unter anderem auch den Mord an einer Autostopperin, die er an einer Tankstelle in Tampa mitnahm und die offenbar nach Kalifornien oder nach Nevada wollte. Suzanne habe sie geheißen und einen Rucksack getragen. Das neue Phantombild hat wirklich Ähnlichkeit mit Ylenia, die sich in ihrer Aussteigerphase „Suzanne“ oder „Suzy“ nannte.

Die Beziehung ging nach dem Verschwinden der Tochter in die Brüche

Al Bano reagierte auf diese neueste Entwicklung zurückhaltend. „Wir werden jetzt sehen, was passiert“, sagte er der Nachrichtenagentur Ansa. Auf Nachfrage wollte er keine weiteren Erklärungen abgeben.

In den Jahren nach dem Verschwinden der Tochter war die Ehe mit Romina, die sonst vielleicht für immer gehalten hätte, zu Bruch gegangen. Zumindest auf der Bühne sieht man beide jetzt wieder zusammen. Im August gaben sie ein gemeinsames Konzert in Deutschland und sangen auf der Berliner Waldbühne noch einmal „Felicità“. Darin auch die Zeile: „Glück ist, wenn man zweistimmig singt, wie sehr ich dich mag.“