Hamburg.

So tief und intensiv hat die Hansestadt in ihrer Geschichte wohl kaum einmal getrauert. Tausenden Hamburgern war es einen Tag nach dem Tod von Helmut Schmidt ein persönliches Anliegen, ihre Anteilnahme zu zeigen und so von ihrem Bundeskanzler und Innensenator Abschied zu nehmen. In den Hunderte Meter langen Schlangen vor dem Rathaus harrten die Menschen zum Teil stundenlang im Nieselregen aus, um sich in das in der Rathausdiele ausliegende Kondolenzbuch einzutragen.

„Helmut Schmidt war einer von uns, man musste ihn einfach gerne haben“, sagte die 65 Jahre alte Verica Allers, die bereits seit 8.30 Uhr vor dem Rathaus gewartet hatte, um sich ab zehn Uhr in das Kondolenzbuch einzutragen. Sie sprach damit aus, was wohl die meisten Trauernden dachten. „Lieber Helmut Schmidt, wir werden Sie sehr vermissen“, schrieb Verica Allers später in das Kondolenzbuch.

Auch im Rathaus warteten die Menschen geduldig vor den beiden Stehpulten, auf denen die Kondolenzbücher lagen. Daneben stand ein großes Schwarz-Weiß-Foto des SPD-Politikers, auf dem er die Trauernden an­lächelt. Manche schrieben einen kurzen Gruß in das Buch. Andere hatten zu Hause auf Schreibblocks längere Texte verfasst und übertrugen sie Wort für Wort in die Kondolenzbücher. Anschließend verneigten sich viele für einen kurzen Moment vor dem Mann, den viele als den bedeutendsten Sohn der Stadt bezeichneten.

Vor Schmidts Wohnhaus in Langenhorn legten ebenfalls Dutzende Bürger Blumen nieder und entzündeten Kerzen. Die Hamburgische Bürgerschaft gedachte am Mittwochnachmittag mit einer Schweigeminute des Hamburger Ehrenbürgers. „Wir verneigen uns vor dem Lebenswerk von Helmut Schmidt“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) in einer kurzen Gedenkrede. „Hamburg verliert einen bis ins hohe Alter engagierten Fürsprecher und überaus erfolgreichen Förderer.“ Veit erinnerte an Schmidts Einsatz als „tatkräftiger Polizeisenator, der bei der verheerenden Sturmflut 1962 lebensrettende Hilfe für unzählige Menschen ermöglichte“.

Unterdessen wird in der Politik und in den sozialen Netzwerken die Frage diskutiert, ob der Hamburger Flughafen zu Ehren des verstorbenen Altkanzlers in „Helmut-Schmidt-Flughafen“ umbenannt werden soll. „Mit dieser Würdigung der Verdienste Helmut Schmidts auch auf dem internationalen Parkett wäre sein Name untrennbar mit seiner Heimatstadt Hamburg verbunden“, sagte der stellvertretende Hamburger Juso-Vorsitzende Martin Heßelbarth. Schmidt war langjähriger Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafen Hamburg AG und habe in den letzten 65 Jahren den Wirtschaftsstandort Flughafen Hamburg intensiv geprägt.

Am Rande der Reise von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in China hieß es, dass die Benennung des Flughafens nach dem früheren Bundeskanzler im Senat für eine sinnvolle und ernsthaft zu prüfende Idee gehalten werde. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel reagierte ebenfalls zurück­haltend positiv. „Jetzt steht das Trauern und Innehalten im Vordergrund“, sagte Dressel. „Aber grundsätzlich kann ich mir das vorstellen. Neben dem Hafen ist unser Flughafen unser zweites Tor zur Welt, insofern ist das ein interessanter Gedanke für eine angemessene Würdigung unseres Ehrenbürgers, der Weltbürger war wie kein Zweiter.“ Die Stadt solle jedoch erst „mit einem gewissen Abstand nach den Trauerfeierlichkeiten in einem breiten politischen Konsens über eine angemessene Würdigung von Helmut Schmidt entscheiden“, so Dressel. „Das ist sicherlich ein guter Vorschlag“, sagte auch André Trepoll, CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft, plädierte jedoch dafür, zunächst einmal innezuhalten. Auch die Grünen und die FDP signalisierten grundsätzliche Zustimmung.

Wann Deutschland und Hamburg offiziell von Helmut Schmidt Abschied nehmen werden, ist noch unklar. Bundespräsident Joachim Gauck hat einen Staatsakt angeordnet. Damit liegt die organisatorische Federführung beim Bundesinnenministerium, das derzeit nach eigener Angabe noch Einzelheiten insbesondere mit der Familie bespreche. Nach Abendblatt-Informationen wird die Trauerfeier im Hamburger Michel stattfinden.

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