Beach House verströmt seine verträumten Electro-Klänge auf Kampnagel

Böse Zungen behaupten ja, wer die Musik von Beach House höre, spare sich das Sedativum. Das muss in Zeiten immer größerer Beschleunigung noch nicht mal ein vernichtendes Urteil sein. Tatsächlich hat sich das Duo aus Baltimore auf seinem neuen, fünften Werk „Depression Cherry“ wieder in den filigranen Fäden des Dream Pop verfangen.

Mit astronautisch wabernden Gitarren und allerlei Arpeggien an den Keyboards, die etwa den „Space Song“ in eine höhere Dimension erheben. Es ist wieder ein surreales Traumwerk geworden, in dem man den ganzen Tag barfuß am Strand entlangläuft, das Leben ein ewiges Kinderkarussell bleibt mit endlosen Tagen voller Süßigkeiten.

Klingt nach Kitsch. Ist es irgendwie auch. Feiner, nostalgischer, Low-Fi-induzierter Romantik-Pop. Beach House zelebrieren die Hymne, die Langsamkeit, das Fieber. Musik wie ein einziger Wattebausch. Sie würde auch jeden entschleunigten französischen Arthouse-Film schmücken. Oder vielleicht Sofia Coppolas nächsten Streifen. Am 14. November zelebriert das Duo seine Klangpreziosen live auf Kampnagel, wo es schon 2012 mit einem tollen Gig glänzte.

Seit 2004 macht das Duo nicht nur Musik zusammen, sondern teilt auch Tisch und Bett. Die halluzinogene Stimme der französischen Chanteuse und Keyboarderin Victoria Legrand klingt, als stamme sie von einem Wesen aus einer anderen Galaxie, jenseitig, entrückt, buchstäblich nicht von dieser Welt. Sie reiht sich damit wunderbar ein in die Historie ihrer Vorgängerinnen Elizabeth Fraser von den Cocteau Twins, von This Mortal Coil oder natürlich der ungleich kraftvolleren Nico. Auch ihre Vintage-Synthesizer fügen sich da stimmig ins Bild.

Neben ihrer überaus weichen Stimme hat Legrand eine sehr besondere Vita innerhalb einer Künstlerfamilie vorzuweisen. Der Vater malt. Ihr Onkel Michel Legrand vertonte Film-Klassiker wie „Swimmingpool“ mit Romy Schneider, für „Yentl“ und „Sommer 42“ erhielt er sogar jeweils einen Oscar. Legrands Kompagnon Alex Scully lässt an Gitarre und Bass die Saiten sehnsuchtsvoll jaulen. Auch auf „Depression Cherry“ stapelt das Duo die Melancholie zu gewichtigen Klangskulpturen. Die somnambule Instrumentierung ist geblieben. Und fügt sich mit den meist geheimnisvollen Texten zu einem Werk des reinen Gefühls. Denken ist hier überflüssig. Übrigens auch ein veritables Plattencover. Es ist in reinem Rot gehalten, aber aus Samt. Musik eher für den Tastsinn, als die Lust am Dechiffrieren.

Vielleicht ist alles ein wenig zu sehr, wie man es von Beach House erwartet hat. Und warum auch immer, Mitte Oktober hat die Band mit „Tank Your Lucky Stars“ schon wieder ein Album veröffentlicht. Keine B-Seiten, kein Studiosession-Überhang, keine Resterampe.

Es dürfte in jedem Fall ein traumhafter Abend werden.

Beach House Sa 14.11., 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten 26,- im Vvk., 29,- an der Ak; www.beachhousebaltimore.com