Wenn zwei Bilderstürmer aufeinandertreffen, können einem leicht die Augen übergehen. Peter Greenaway, der Kultregisseur der postmodernen 80er-Jahre, und Sergej Eisenstein, der große Visionär der Stummfilm-Ära: zwei, die sich nie um filmische Konventionen geschert ­haben. Nun widmet sich der britische dem russischen Filmemacher und tut es auf seine ganz eigene, streitbare Art. Keine Lebenschronik hat Greenaway dabei über den Regisseur von „Panzerkreuzer Potemkin“ im Sinn, sondern ein schillerndes Schlaglicht auf Eisensteins Zeit in Mexiko 1931/32.

Eisenstein ist da, wie ihn der finnische Darsteller Elmer Bäck spielt, vor allem ein großes Kind, ein exaltierter Clown, ein hyperaktives Genie, das alles ausprobiert. Nur an Sex hat er sich im stalinistischen Russland nie getraut, aus Angst, wegen seiner Vorliebe für Männer verfolgt zu werden. Erst in Guanajuato ist er weit genug weg, dass er sich auf eine Affäre mit seinem Reiseführer Palomino einlässt. Eisensteins Homosexualität gilt als verbürgt, die Liaison aber ist erfunden. Wie sich Greenaway überhaupt etliche Freiheiten nimmt bei seinem audiovisuellen Spektakel, dem es mehr um Effekt als um Fakten geht. Hochkultur und Unterhaltung, Kunst und Sex, alles existiert gleichberechtigt in seinem postmodernen Universum.

„Eisenstein in Guanajuato“ NL/MEX/B/FIN/F 2015, 105 Min., ab 16 J., R: Peter Greenaway,
D: Elmer Bäck, Luis Alberti, Maya Zapata,
täglich im Abaton, 3001; www.eisenstein-film.de