Hamburg. CDU und Führungskräfte kritisieren schwere Fehler. Neue Notunterkunft eröffnet. 5600 Sozialwohnungen geplant

Jens Meyer-Wellmann

Der Zustrom von Flüchtlingen stellt Hamburg vor immer größere Probleme – und sorgt nun auch für offenen politischen Streit zwischen den Parteien. Der CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll wirft Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor, „bei der größten Herausforderung der letzten Jahrzehnte“ abzutauchen. Scholz habe keine Regierungserklärung zu diesem Thema abgegeben und der Senat zeige sich „deutlich überfordert“, sagte Trepoll dem Abendblatt.

Der Oppositionsführer bemängelt das Fehlen eines Flüchtlingsbeauftragten in Hamburg. Zudem würden Kirchen und Wohlfahrtsverbände nicht genügend einbezogen und die Menschen nicht genügend informiert. Die Zusammenarbeit zwischen Bezirken, Innen- und Sozialbehörde funktioniere nicht – und die Opposition werde, anders als von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin, von Scholz nicht in die Planungen einbezogen.

Stattdessen pauke Rot-Grün im Hauruckverfahren ein Gesetz zur Beschlagnahme privater Immobilien durch die Bürgerschaft. „So geht es nicht weiter“, sagte Trepoll. Gegen das neue Gesetz werde es mit großer Sicherheit Klagen geben, sagte Professor Jörn Axel Kämmerer von der Bucerius Law School im NDR Fernsehen.

In einem offenen Brief äußerten auch zehn Führungskräfte der städtischen Gesellschaft „Fördern & Wohnen“ harsche Kritik an der politischen Führung. Der extreme Zulauf von Flüchtlingen sei schon vor Jahren absehbar gewesen, der Senat habe die Entwicklung verschlafen. Dies münde nun in katastrophale Zustände: „Ob mangelnde Hygiene oder fehlende Privatsphäre, die Notmaßnahmen der Stadt reichen nicht mal für die Einhaltung der Mindeststandards und wären als längerfristige Lösung völlig unhaltbar“, heißt es in dem Schreiben.

Die Kritik der Führungskräfte sei nicht neu und werde mit den Mitarbeitern von „Fördern & Wohnen“ laufend besprochen, teilte die Innenbehörde mit. Viele Probleme seien dem Fachkräftemangel und der derzeitigen Ex­tremsituation geschuldet. Priorität hat der beschleunigte Bau weiterer Plätze für Flüchtlinge: Bis zum Herbst 2016 sollen 5600 Sozialwohnungen ohne Bürgerbeteiligung entstehen. Am Wochenende wurde eine weitere Notunterkunft mit 850 Plätzen in einem ehemaligen Baumarkt im Hörgensweg in Eidelstedt in Betrieb genommen. „Damit ist sichergestellt, dass für einige Tage niemand draußen schlafen muss“, heißt es aus der Innenbehörde.

Auch in den bestehenden Unterkünften spitzt sich die Lage zu. Am Wochenende halfen Bundeswehrsoldaten an der Harburger Poststraße aus, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Frauen berichten von Belästigungen und dem Eingehen von sexuellen Beziehungen zum Schutz vor Übergriffen.

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