Helmut Schmidt verzichtet mit 96 Jahren erstmals auf seine Zigaretten. Jedenfalls vorübergehend. Zum Ersatz gibt es ein Trostpflaster

Wenn ein Mann das Rauchen aufgibt und Nachrichtenagenturen diese Lappalie für berichtenswert halten – dann kann es eigentlich nur um Helmut Schmidt gehen. Der Raucher der Nation quarzt nicht mehr? Der Mann, der selbst seine Gespräche in Zigarettenlängen misst? Den ein Buchtitel als „Der letzte Raucher“ verkauft hat? Der Studiogäste und Theaterbesucher jahrzehntelang genötigt hat, passiv mitzuqualmen? Dem auf die Frage, ob man Leidenschaft für seine Arbeit brauche, einfiel: „Willen braucht man. Und Zigaretten.“ Der bei einer SPD-Fraktionssitzung im Berliner Reichstag polterte: „In dieser Republik gibt es an so vielen Plätzen Rauchverbote. Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich mich darum schere.“ Der auf die Frage, wie er zur Menthol-Zigarette gekommen sei, ins historische Fach greifen konnte: „Damals habe ich von den Bergleuten gelernt, Schnupftabak zu nehmen, denn da unten durfte man wegen der Explosionsgefahr nicht rauchen. Das habe ich von denen übernommen, weil man im Bundestag auch nicht rauchen durfte. Und der Schnupftabak war mit Menthol parfümiert.“ Der Mann, der sich beschwerte, weil er in der Biografie „Helmut Schmidt, Macht und Verantwortung“ nur auf lächerlichen zehn von 40 Bildern rauchend zu sehen war: „Das ist eine rauchfreie Verharmlosung.“ Der noch im April 2015 bei TV-Talkerin Sandra Maischberger glasklar wusste, wann er einmal auf Tabak verzichtete: „Nach dem Krieg habe ich meine Rauchermarken gegen Kartoffeln eingetauscht. Ich hatte Hunger. Der Hunger war viel größer als das Bedürfnis nach Nikotin.“ Und auf die Nachfrage, ob er elektronische Zigaretten ausprobiert habe, maulte: „Warum soll ich Dummheiten machen?“

Dieser Helmut Schmidt raucht nicht mehr. Lässt sich ein lächerliches Nikotinpflaster kleben, bestätigte sein Herz-Professor Karl-Heinz Kuck aus der Asklepios Klinik St. Georg. Dort geht es dem Altkanzler nach der Öffnung eines verstopften Beingefäßes von Tag zu Tag besser. Die baldige Entlassung aus der Klinik wird angekündigt. Wir wünschen dem Ex-Raucher, dass er nicht schwach wird, wenn er im Langenhorner Reihenhaus wieder in Griffnähe des Vorrats an Mentholzigaretten gelangt.