Berlin. Zeugen riefen die Polizei. Beamte suchen nach den Opfern. Diskussion entbrannt, wie mit Tätern umgegangen werden soll.

Nach dem rassistischen Angriff auf eine Familie aus Osteuropa in der Berliner S-Bahn wird gegen zwei Rechtsextremisten ermittelt. Der polizeiliche Staatsschutz, der für politisch motivierte Straftaten zuständig ist, übernahm am Dienstag die Aufklärung. Die Männer im Alter von 32 und 37 Jahren hatten die Mutter und ihre Kinder fremdenfeindlich beleidigt, der jüngere Angreifer urinierte auf die Kinder im Alter von etwa 5 und 15 Jahren. Die Familie war am Samstagabend auf der Ringbahn-Linie unterwegs. Die Opfer haben sich bislang nicht gemeldet, sagte ein Polizeisprecher.

Die Bundespolizei konnte die betrunkenen Neonazis auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee festnehmen. Mitfahrende hatten über Notruf die Einsatzkräfte alarmiert. Die Verdächtigen kamen aber wieder auf freien Fuß. Sie seien der Polizei seit Jahren als Rechtsradikale bekannt und durch Delikte aufgefallen, sagte ein Polizeisprecher. Die jetzigen Vorwürfe seien Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Beleidigung und Körperverletzung.

Haftbefehl hätte wenig Aussicht auf Erfolg

Einen Haftbefehl zu beantragen, hätte wenig Aussicht auf Erfolg, hieß es in Ermittlerkreisen. Die Gründe reichten nicht aus. Die Verdächtigen hätten einen festen Wohnsitz, ihre Personalien seien bekannt. Wiederholungsgefahr als Haftgrund greife nur bei jemand, „der meuchelnd durch die Gegend zieht“. Erschwerend komme hinzu, dass die Opfer noch unbekannt seien. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) erklärte, dass jemand nicht in U-Haft kommt, ließe keine Rückschlüsse zu, wie hart die Anklage werde oder wie hoch eine Strafe ausfalle.

Der innenpolitische Sprecher der oppositionellen Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, meinte, es sei unverständlich, dass die Extremisten nach der Blutentnahme entlassen worden seien. Bei ihnen wurden laut Bundespolizei rund 2,3 sowie knapp 1,8 Promille festgestellt. „Diese Männer nachts frei auf die Straße zu lassen, ist mit dem Schutzauftrag des Staates nicht zu vereinen“, so Lux. Es wäre zulässig gewesen, beide zunächst in Sicherheitsgewahrsam bis zur Ausnüchterung zu nehmen. Der Gewahrsam könne verhängt werden, um eine erneute Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu verhindern.

Berlins Innensenator Henkel: "Unerträgliche Fratze des Rassismus"

Indes hielt die Betroffenheit am Dienstag an. „So verachtend in aller Öffentlichkeit Menschen zu demütigen, das habe ich noch nicht erlebt“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Für ihn sei das „eine neue Qualität von Ressentiments gegen Ausländer in Deutschland“. Der Beamte lobte die Hilfsbereitschaft der Fahrgäste. „Wer sich nicht einmischt, stimmt ja irgendwie zu.“

Auch Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) dankte den Mitreisenden für ihre Zivilcourage. Sie forderte, die ungeheuerliche Tat mit aller Strenge zu ahnden. Der Chef der Berliner Linke-Fraktion, Udo Wolf, sagte im rbb-Inforadio, „in Berlin erheben Neonazis ihr Haupt immer frecher“. Der rot-schwarze Senat müsse Opferberatungsstellen und mobile Beratungsteams stärken.

Innensenator Frank Henkel (CDU), der bereits am Montag von einer „unerträglichen Fratze des Rassismus“ gesprochen hatte, sagte zu der Berliner Situation: „Wenn Rechtsextreme auf Kinder urinieren oder mit brennenden Holzlatten an einem Flüchtlingsheim vorbeiziehen, dann sind rote Linien weit überschritten.“

S-Bahn verhängt Beförderungsverbot

Der CDU-Politiker forderte angesichts zahlreicher Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte, alle demokratischen Parteien müssten gegen rechtsextreme Umtriebe zusammenstehen. Die Ausschreitungen gegen eine Notunterkunft im sächsischen Heidenau zeigten, dass Rechtsextremen keine Freiräume gelassen werden dürften.

Die S-Bahn verhängte ein Beförderungsverbot gegen die beiden Berliner Rechtsextremisten für ein Jahr. „Das wird schriftlich zugestellt“, sagte ein Bahnsprecher am Dienstag. Verstöße würden angezeigt und hätten strafrechtliche Konsequenzen. Jedoch müssten die Verdächtigen bei Kontrollen oder Polizeimaßnahmen auffällig werden.