Erkenntnisse aus dem Mammut-Interview mit dem griechischen Ex-Finanzminister: Schnee von gestern , und die Eitelkeit stirbt zuletzt

Vollmundig, gewissermaßen mit Fanfarenstößen kündigte der „Stern“ in seiner Hausmitteilung zum Varoufakis-Gespräch (manche erinnern sich vielleicht noch: der Ex-Finanzminister Griechenlands) an, das Interview sei von Marathon-Länge, der Politiker und der Reporter hätten es in drei schlaflosen Tagen und Nächten geführt, neun Mal hätten die beiden in Athen zusammen gesessen, „mal am Küchentisch, mal im Büro, mal im Restaurant ...“

Viel Lärm um nichts, denkt der Leser, hat er das Resultat dieser Sisyphos-Arbeit gelesen, und wer je Interviews geführt hat, denkt (ungerechterweise dem Kollegen Luik gegenüber) an den Ausspruch des großen Impressionisten Max Liebermann, der über das Gemälde eines Kollegen gesagt haben soll: „So wat piss ick Ihnen in den Schnee!“

In Athen gibt es selten Schnee, und Varoufakis ist bestenfalls der Schnee von gestern, dem ein Strafverfahren ins Haus steht und der eine ähnlich kurze Halbwertzeit erlebte wie einst der Lügenbaron Münchhausen, respektive Freiherr von Guttenberg, politischer Hoffnungsträger für einen kurzen Sommer.

Und doch lohnt es sich, die Worte des hellenischen Schwadroneurs, Aufschneiders und Frauenschwarms nachzulesen. Etwa über seine Augenhöhe mit Schäuble:

„Es geht in den Sitzungen oft rüpelhaft, rüde und ungehobelt zu. Schäuble kann schon explodieren und sehr scharf sein. Ich hab mal erlebt, wie er den EZB-Chef Mario Draghi runtergeputzt, wie er den Europagruppenchef Dijsselbloem zusammengefaltet hat, nicht schön. Mit mir hat er das nie gemacht, er war immer sehr freundlich. Ich schätze ihn, ich mag Wolfgang. Und er schätzt, glaube ich, meine Expertise, er weiß genau, was er will!“ Glauben macht selig. Am Ende des Interviews rastet er, über seine geschichtliche Rolle, völlig aus, als er auf die Frage „Sie klingen verzweifelt“ antwortet: „Ich bin nie verzweifelt. Ich weiß, dass ich mit meiner Politik vielen Menschen Mut gemacht habe. Als die sowjetischen Panzer den Prager Frühling niederwalzten, starb die Sehnsucht nach der Freiheit nicht. Ich war neulich in Deutschland, und auf der Straße haben mich unzählige Leute angesprochen, sie sagten: ,Sie haben uns Mut gemacht, dass es ein besseres Europa geben kann.’“

Robin Hood, Dubček oder laut „Stern“: „Griechenlands Che Guevara“? Träum weiter, sagt man da auf Deutsch.