Unterhalten Sie sich gut! Im Digitalzeitalter nehmen das immer mehr Theaterbesucher wörtlich – und lassen ihr Smartphone eingeschaltet

Die irische Spottdrossel Oscar Wilde­ meinte einmal nach einem Theaterbesuch, das Stück sei eigentlich ganz gut gewesen, aber das Publikum sei durchgefallen. An diesem grundlegenden Problem hat sich seit dem viktorianischen England wenig geändert. Mit einem Unterschied: Zogen sich die Besucher damals wenigstens noch elegant an, so gehen heute manche in einem Aufzug ins Theater, in dem ein von Traditionen Geprägter nicht in Bielefeld tot über einem Bauzaun hängen möchte. Etikette ist für viele heute das, was auf einer Banane klebt.

Wer auf die Frage: „Möchten Sie ein Opernglas?“ entgegnet, „das ist nett, aber ich trinke aus der Flasche“, stellt eine gewisse Kulturferne unter Beweis. Und an mancher Theaterkasse kann es auf die wohlgemeinte Frage „Sollen die Karten für Tristan und Isolde sein?“ die Antwort geben: „Nein, für meine Frau und mich.“

Am New Yorker Broadway hat man neben den in etablierter Weise hustenden und papierknisternden Zuschauern (wer Schnupfen hat, geht zum Arzt, wer hustet, ins Theater) und einigen Vollpfosten, die Sushi oder dampfende Pommes in ihrer Sitzreihe verzehrten, nun die IT-affine Nachfolge­generation fürchten gelernt, die simst, twittert oder gar telefoniert. Da bimmelt und quiekt es im Parkett wie auf einer Mobilfunkmesse. Kürzlich kletterte ein Jugendlicher, dessen überbeanspruchtes Handy gnädigerweise den Geist aufgegeben hatte, gar auf die Bühne, um das Gerät dort aufladen zu wollen. Allerdings war die Steckdose nur eine Requisite. Aus reiner Verzweiflung hat der Broadway-Produzent Ken Davenport für das Stück „Godspell“ in den hinteren Reihen „Tweet Seats“ installiert, damit die Zuschauer dort aus Leibeskräften twittern konnten. Den Anspruch, sich im Theater gut zu unterhalten, nehmen viele Menschen heute nur allzu wörtlich.

Das Quäntchen Wahrheit in dem alten Kritikerwitz, das Stück sei unter äußerst ungünstigen Umständen aufgeführt worden – der Vorhang war offen –, gilt eben manchmal auch aus der Perspektive der Schauspieler.