Berlin/Brüssel. Vorläufiges Ende des Grexit-Dramas: Mehr als 17 Stunden hat die Kanzlerin mit Alexis Tsipras gepokert, gerungen, gestritten – dann stimmte sie der Griechenland-Rettung zu. Es geht um Hilfen von bis zu 86 Milliarden Euro. Im Gegenzug setzte die Regierungschefin harte Reformen in Athen durch. CDU, CSU und SPD versprachen Zustimmung.

Ist es endlich der Durchbruch in eine bessere Zukunft für Griechenland? Oder werden wieder nur weitere Milliarden in ein Fass ohne Boden gesteckt?

Nach der dramatischen Gipfelnacht von Brüssel schwankt Europa zwischen Hoffen und Bangen, Zustimmung und Zorn. In den 17-stündigen Verhandlungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone doch noch auf Verhandlungen auf ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland geeinigt. Es soll über drei Jahre laufen und ein Volumen von 82 bis 86 Milliarden Euro haben. Athen muss dafür harte Reformauflagen hinnehmen. Ein Grexit, das Ausscheiden des Landes, ist damit vorerst abgewendet.

Bis zuletzt stand der Gipfel von Brüssel auf Messers Schneide. „Um sechs Uhr morgens sagten alle: Es geht nicht, wir brechen ab“, berichtete ein Teilnehmer über die Gespräche im kleinen Kreis zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatschef François Hollande und Griechen-Premier Alexis Tsipras. EU-Ratspräsident Donald Tusk habe aber klargemacht, dass es keine Alternative zu einem Hilfspaket gebe. Der Pole habe seine Worte sorgfältig gewählt: „Wir bleiben in diesem Raum, bis wir uns geeinigt haben!“ Und so blieben alle.

Die Einigung verlangt von Tsipras ein drastisches Sparprogramm. Schon morgen müssen im Parlament eine Mehrwertsteuer- und Teile einer Rentenreform beschlossen und auch „quasiautomatische Ausgabenkürzungen“ festgeschrieben werden, falls Griechenland Haushaltsziele verfehlt. Die Verwaltungen sollen modernisiert und Privatisierungen von Staatsbetrieben vorangetrieben werden. Für den Transfer von griechischem Staatsbesitz in die Privatwirtschaft wird ein Fonds geschaffen, der unter europäischer Aufsicht steht. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte: „Die Griechen müssen zeigen, dass sie glaubwürdig sind, zeigen, dass sie es so meinen.“ Ein Di­plomat kommentierte: „Tsipras stand mit dem Rücken zur Wand. Er konnte nur akzeptieren oder sein Land in einen Bürgerkrieg stürzen.“

Vor allem Merkel hatte auf den Treuhandfonds bei der Privatisierung gedrängt und damit nicht nur bei den Griechen für Widerstand gesorgt. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wird mit den an Merkel gerichteten Worten zitiert: „Genug ist genug.“ Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron benutzte den gerade für Deutsche schmerzhaften Vergleich mit dem Versailles-Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg. Doch am Ende wurde ein Kompromiss gefunden. „Mit einer Pistole an der Schläfe wäre jeder einverstanden“, so ein griechischer Regierungsvertreter. Links-Premier Tsipras sagte: „Wir haben einen gerechten Kampf geführt.“ Vor dem Land lägen nun „schwierige Entscheidungen“.

Merkel lehnte einen Schuldenschnitt für Athen ab, stellte aber „Schuldenerleichterungen“ in Aussicht. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass der Bundestag, der am Freitag abstimmt, das Brüsseler Ergebnis billigen wird. Sie werde „aus voller Überzeugung“ für ein Ja werben. Die Vorteile überwögen deutlich die Nachteile. Eine Vertrauensfrage zu stellen, wie von den Grünen gefordert, lehnte Merkel ab. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD versicherten, es werde eine breite Mehrheit für die Vereinbarung geben.

Wirtschaftsvertreter kommentierten den Gipfelbeschluss unterschiedlich. Der Deutsche Aktienindex DAX schloss bei 11.484 Punkten – ein Plus von 1,5 Prozent.