Berlin . Willkommen in der der Wisteria Lane, willkommen bei “Desperate Housewives“! Ach nee, Sekunde - willkommen auf einem Wiener Friedhof, willkommen bei “Vorstadtweiber“!

Die ARD-Serie „Vorstadtweiber“ kann sich über solide Quoten am Dienstagabend freuen: Die österreichische Antwort auf „Desperate Housewives“ interessierte ab 20.15 Uhr im „Ersten“ bei Folge eins ab 20.15 Uhr 5,05 Millionen Zuschauer (17,0 Prozent Marktanteil) und 5,06 Millionen (16,7 Prozent) bei Folge zwei ab 21.00 Uhr. Auch beim jüngeren Publikum funktionierte die Serie mit ihren fünf lästernden Hauptfiguren ordentlich. Bei den Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren betrug der Marktanteil 9,3 und 9,7 Prozent.

Willkommen zu "Desperate Housewives"

Willkommen in der der Wisteria Lane, willkommen bei "Desperate Housewives"! Ach nee, Sekunde - willkommen auf einem Wiener Friedhof! Es regnet, schluchzende Menschen stehen auf einer Beerdigung. Die Trauer mag nicht bei allen echt sein, und einige der Trauergäste haben offenbar Dreck am Stecken, denn sie werden noch an Ort und Stelle verhaftet. So beginnt die neue Serie „Vorstadtweiber“, die am Dienstag (20.15 Uhr, ARD) mit den beiden ersten von zehn Folgen an den Start geht. Darin geht es um fünf Freundinnen, ihre Familien und Verstrickungen in Affären und illegale Geschäfte.

Die scheue Maria (Gertie Drassl) hat ziemlich viel Stress mit ihrer grantelnden Schwiegermutter Anna (Gertrud Roll), die noch immer der freien Liebe nachtrauert und nicht mehr so recht weiß, wer der Vater ihres geizigen Sohns Georg (Juergen Maurer) ist, der eine Affäre hat - mit dem Verkehrsminister Joachim Schnitzler (Philipp Hochmair).

Jeder mit jedem

Derweil schläft Simon (Johannes Nussbaum), der 17-jährige Sohn von Maria (die sich einen Callboy angelt) und Georg, mit seiner Nachhilfelehrerin Waltraud (Maria Köstlicher). Ihr Mann Josef (Simon Schwarz) hat - bevor er später zu Tode kommt - ein Verhältnis mit Nicoletta (Nina Proll), deren Modeboutique ausgeraubt wird - woraufhin sie von ihrem schwulen Freund Francesco (Xaver Hutter) mit Hehlerware versorgt wird. Hadrian (Bernhard Schir) fühlt sich mit seiner jüngeren Gattin Caroline (Martina Ebm) so alt wie er noch gar nicht ist - ohne zu wissen, dass sie eine Affäre mit seinem besten Freund Bertram (Lucas Gregorowicz) hat. Die einzige, die sich nicht durch die Betten „schnackselt“, ist Sabine (Adina Vetter).

Irgendwie treibt es hier nahezu jeder mit jedem, und jeder wird irgendwie hintergangen. Das ganze Beziehungsgeflecht ist komplett unüberschaubar und macht die verschachtelte Geschichte ziemlich verworren, zumal noch ein politischer Skandal um einen Autobahnerweiterungsbau (der im Wiener Waldviertel tatsächlich geplant ist) und damit zusammenhängende Grundstückskäufe hinzukommt, in den ebenfalls irgendwie alle verstrickt sind. Korruption, Erpressung, Manipulation, Intrigen, Lug und Trug und eine Menge Leichen im Keller - das ist also das Grundthema dieser Serie, die trotz des irreführenden Titels nur in den sogenannten besseren Kreisen spielt.

Es gibt teilweise recht deftige Sexszenen, und die Dialoge von Autor Uli Brée („Paul Kemp„) sind sehr pointiert und treffen oftmals voll ins Schwarze - da entpuppt sich so manches Kompliment in Wahrheit als übler Schlag. Von Arbeit halten die Wiener Damen zwar nicht viel, von einem prallen Sexleben hingegen schon. Das Ganze ist nicht so raffiniert und wendungsreich wie „Desperate Housewives“, dafür aber tiefgründiger, komplexer und realistischer.

Wer bin ich eigentlich?

„Es sind allesamt Frauen, die an einem entscheidenden Punkt in ihrem Leben sind“, berichtete Nina Proll (41, „Dampfnudelblues“) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: „Sie merken, dass der eingeschlagene Weg nicht mehr der richtige ist und stellen sich zum ersten mal in ihrem Leben die Frage: Wer bin ich eigentlich? Und wie soll das alles weitergehen? Bin ich mit dem richtigen Mann zusammen? Mit Anfang/Mitte 40 die erste große Identitätskrise zu haben, beinhaltet auch eine gewisse Tragik.“

Die ARD startete die unterhaltsame, teils böse Serie mit einer Doppelfolge, wie es der ORF auch gemacht hat; die weiteren acht Folgen laufen dann allerdings wöchentlich. Das mag manchen Zuschauer stören, denn die horizontale (aufbauende) Erzählweise erfordert im Gegensatz zu abgeschlossenen Episoden schon ein gewisses Dranbleiben. Die Hauptfiguren werden nahezu allesamt von renommierten Burgschauspielern gespielt, die offensichtlich viel Spaß am schnellen Tempo und an den brillianten Wortgefechten haben. Der Autor hat schon Ideen für die Bücher zur dritten Staffel der „Vorstadtweiber“ - in Österreich war die Serie ein Straßenfeger, und die zweite Staffel wird derzeit bereits gedreht. Wenn es dann etwas übersichtlicher und gerne noch etwas abgründiger zugeht (und die ARD mit im Boot bleibt), dann könnte man sich durchaus mit diesen durchtriebenen Weibsbildern anfreunden. (dpa)