Zum Lokführer-Streik

Die Verhandlungen sind offensichtlich völlig festgefahren, weil es bei dieser Tarifauseinandersetzung eigentlich nie um Geld ging. Seit Monaten reden GDL und Bahn miteinander – die fünf Prozent Lohnforderung wurde bisher noch nicht mal angesprochen. Stattdessen geht es um Vertretungsmacht: Letztlich will die GDL der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) das Wasser abgraben. Die Zeit drängt: Im Sommer will die Bundesregierung ihr Gesetz zur Tarifeinheit verabschieden, das im Zweifel der größeren Gewerkschaft das Verhandlungsmandat zuspricht. Auch deshalb lässt die GDL den Konflikt jetzt eskalieren. Sollte der Streik wirklich vier Tage am Stück dauern, droht totales Chaos im Bahnverkehr. Für Bahnkunden ist das schwer vermittelbar: Streiks für Geld mögen angehen, aber für mehr Macht?

Hannoversche Allgemeine

Die Bahn kommt der Konflikt teuer zu stehen. Als Arbeitgeber hat sie kaum Möglichkeiten, dem Arbeitskampf etwas entgegenzusetzen – außer Kompromissbereitschaft. ... GDL-Chef Claus Weselsky setzt weiter auf volles Risiko, er will freie Bahn für Tarifverträge für das gesamte Zugpersonal. Das will die Konkurrenzgewerkschaft EVG auch. Die Bahn besteht darauf, dass die Abschlüsse sich nicht widersprechen, sie will keine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Konzern. Für einen Tarifvertrag müssen aber alle Seiten Zugeständnisse machen. Eine Zwangsschlichtung wäre, um dem Schrecken ein Ende zu bereiten, kein schlechter Ausweg.

Frankfurter Allgemeine

Wir werden Zeugen, wie das Grundrecht auf Streik einen Ansehensverlust erleidet, von dem es sich vielleicht nicht so schnell wieder erholt. In den Augen der Öffentlichkeit erhärtet sich der Eindruck, dass etwas grundsätzlich aus dem Ruder gelaufen ist. Wenn eine vergleichsweise kleine Berufsgruppe das halbe Land lahmlegen kann, aber am Ende die eigenen Ziele nicht erreicht, dann stimmt etwas nicht mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Streiken, allein um Recht zu behalten, das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

WAZ (Essen)