Zum Unwort „Lügenpresse“

Beim harten Kern der selbst ernannten Patrioten auf den Straßen wird die Geißelung des Wortes „Lügenpresse“ als „Unwort“ kein Innehalten bewirken. Im Gegenteil: Die Wahl wird als weiterer „Beleg“ für die vermeintliche „Verschwörung“ im Sinne der politischen Korrektheit angesehen. Menschen mit geschlossenem Weltbild neigen nicht zur Nachdenklichkeit. Wer nun noch Teil der Bewegung bleibt, ist für die wahren Werte des Abendlandes ohnehin verloren.

Landeszeitung (Lüneburg)

Das Internet hat die Informationsgesellschaft revolutioniert. Es hat sie aber auch radikalisiert und, inmitten eines Meeres von per Mausklick abrufbarem Wissen, verdummt. Was uns heute in den Diskussionsforen der virtuellen Welt an „Wahrheiten“ begegnet, sind vielfach keine journalistisch auf ihre Glaubwürdigkeit geprüften Nachrichten, sondern anonyme Kloschmierereien. Und eine entsetzliche verbale Enthemmtheit, die sich auf der Straße fortsetzt – auch im Nazi-Schlachtruf „Lügenpresse“. Hier, in ihrem Hass auf die freie Presse, treffen sich am Ende alle wieder: die islamistischen Mörder. Und der rechte Mob, der die vielen aufrichtig besorgten Pegida-Mitläufer als Geiseln nimmt.

Münchner Merkur

Das Wahrheitsgebot bleibt das Reinheitsgebot des Journalismus. Journalismus ist Zumutung. Da draußen, vor der eigenen Tür und außerhalb des eigenen Kopfes, passiert unendlich viel. Journalismus trägt dieses Viele hinein. Wer da schreit: „Lüge“ – der belügt sich selbst.

Tagesspiegel