Wie alt sind unsere Jugendwörter wirklich? „Läuft bei dir“ und „Senfautomat“ klingt manchen eher wie Rentner-Deutsch

Ich würde das Jugendwort des Jahres „Läuft bei dir“ eine Woche nach der Wahl nicht erwähnen, wenn ich nicht im „Stern“ inzwischen gelesen hätte, das jugendbewegte „Läuft bei dir“ sei keineswegs ein Jugendwort, sondern Rentner-Deutsch und gelte für „Du hast es drauf“ oder „cool“. Den Rentner hab ich drauf, der läuft bei mir – fast wie diese Woche meine Nase.

Aber auch das Wort „Senfautomat“, das angeblich junge Leute (ich selbst nenne sie neidvoll gönnerhaft „junge Menschen“) für einen Klugscheißer benutzen, einen, der überall seinen Senf dazugibt, ist laut „Stern“ in Wahrheit auch Rentner-Deutsch, und das leuchtet mir sofort ein, denn ich habe schon vor Erfindung des Fahrradwegs und der Gegensprechanlage immerzu Leute gehört, die zu allem ihren Senf dazugeben mussten. Eben Kritiker. In Österreich übrigens ihren Kren, weil der Meerrettich in Österreich zu den Würstln gleichberechtigt neben den Senf tritt.

Ob man die Sprache als alt oder jung empfindet, liegt wohl im Ohre des Betrachters. So habe ich diese Woche über Oliver Pocher, über den sich gerne alle Leute das Maul zerreißen, ob er nun komisch oder nicht komisch, in oder out sei, gelesen: „Dieser Springinsfeld zeigt mal wieder, was für ein Hallodri er ist.“ Da kam ich mir endgültig in die Zeiten der „Hitparade“ mit Dieter Thomas Heck zurückversetzt vor. Mein Gott! Oder Alter!: „Springinsfeld!“ Das waren noch Zeiten! Da gab es noch „Schürzenjäger“, die wie ein „Tausendsassa“ den Frauen, die „flotte Feger“ oder „kesse Bräute“ oder gar „flotte Bienen“ waren, hinterherjagten. Manch so ein Mädchen war ein „Satansbraten“, dem ein „Frechdachs“ an die Wäsche ging.

Ich verdanke übrigens den Satz über den „Hallodri Oliver Pocher“ einer Klatschspalte. Sie heißt „Herzblatt“, was ebenso altmodisch, aber ironisch von der „FAS“ gemeint ist, die in diesem Glossenformat gern über ernst gemeinte „Herzblätter“ herfällt. Die letzte „FAS“ führt auch weitere schöne Beispiele aus der biederen alten Zeit an, etwa den „Langfinger“ und den „Lauser“.

Alt oder neu, das ist hier die Frage. Meist leben diese furchtbar gemütlichen Ausdrücke nur noch in der Volksmusik weiter, wo es auch noch die „Herzbuben“ gibt und wo ein „Steiger“ (ein ausgestorbener Kohleförderungsberuf) den Mädchen auf Leitern beim „Fensterln“ hinterhersteigt. Man darf sich am Holzladen die Geranienstöcke vorstellen und kann dazu anmerken, dass die Lederhosen-Nostalgie inzwischen in Bayern auch bei den ganz Jungen wieder als cool gilt. Übrigens haben es Schürzenjäger und Steiger „faustdick hinter den Ohren“, wenn sie sich an „Feger“ heranpirschen, die hoffentlich keine „Besen“ sind.

Jetzt warte ich nur noch, bis der „Blaustrumpf“ wieder als Jugendwort auftaucht. Bis dahin ist nur klar, dass CDU-Fraktionschef Kauder Pro-Quotenfrauen wie Ministerin Schwesig „weinerlich“ findet. Und „weinerlich“ ist sicher eher ein Altherren-Fauxpas, also ein Unwort des Jahres.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt